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Alter Sack, was nun

Titel: Alter Sack, was nun
Autoren: Kester Schlenz
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hören wir auf. Ich habe hier einen Hauch übertrieben. Aber irgendwo haben Sie sich schon angesprochen gefühlt, oder? Die wenigsten von uns sind mit fünfzig noch knackig. Wir werden älter, und man sieht es. Damit muss man fertig werden. Über das Abnehmen hat der Kollege Bartels im Kapitel »Das Bauch-Gefühl« einiges zu erzählen. Aber es geht ja nicht nur um zu viel Gewicht. Der Zahn der Zeit nagt überall an uns. Wir gehen auseinander, wir erschlaffen, wir werden dröger, faltiger, knorpeliger und hässlicher.
    ABER ZUM GLÜCK WERDEN WIR DAS ALLE.
    Unterschiedlich ausgeprägt, aber es passiert. Sinnlos, zurückzublicken, Bilder von früher anzustarren oder uns mit Dreißigjährigen zu vergleichen. Benchmark ist der Durchschnitts-Fünfzigjährige. Sie sollten sich fragen: Wie sehen meine Kumpels aus? Wie deren Kumpels und Kollegen im gleichen Alter? Sie werden sehen - sie sind meist keine schönen Menschen mehr. Dann vergleichen Sie all diese Typen mit sich selbst. Und wenn Sie feststellen: Ich sehe in jedem Fall teigiger, grobporiger, dicker, ledriger, knorpeliger, trockener, wabbliger aus als die anderen - dann können Sie hadern und über Gegenmaßnahmen nachdenken.
    GEGENMASSNAHMEN?
    Nun ja, wie gesagt, dass wir verfallen, ist nicht zu ändern. Aber man kann diesen Verfall zumindest etwas hinauszögern. Je nach Aufwand ist das äußerst wirksam. Männer aus unserer Generation haben damit meist wenig Erfahrung. Kosmetik galt als schwul. Wellness war was für Weicheier. Das ist Unsinn. Feuchtigkeitscremes für’s Gesicht können Wunder wirken. Dreimal die Woche eine halbe Stunde joggen hält fit. Noch häufiger schafft man das ja nicht. Gehobene Mucki-Buden (Kieser etc.) sind auch was Gutes, wenn man die Disziplin entwickelt. Sonst zu Hause ein paar Liegestütze einschieben und immer schön die Treppe und nicht den Fahrstuhl nehmen. Sagen alle Fitnesstrainer und Jackie Chan auch.

    UND - JA - SELBST DER GANG ZUR KOSMETIKERIN SOLLTE KEIN TABU FÜR UNS GESETZTERE HERREN SEIN.
    Die Damen dort sind aufgeschlossen, es ist überhaupt nicht peinlich, sie reinigen unsere alten Gesichter, feilen unsere Nägel, glätten unsere Haut und massieren unsere Kopfhaut. Herrlich!
    MANCHER UNTER UNS SOLLTE RUHIG AUCH MAL ZUR FUSSPFLEGERIN GEHEN, HABE ICH MIR VON FRAUEN ERZÄHLEN LASSEN.
    Der Zustand so manchen Männerfußes sei erbärmlich. Fuß könne man das oft nicht mehr nennen - hornige Extremität wäre treffender. Auch hier sind Berührungsängste im doppelten Sinne des Wortes überflüssig. Fußpfleger leben ja von eingewachsenen Nägeln, Hornhaut und rissigen Sohlen.

    UNANGENEHM WIRD ES ERST, WENN DIE DAME NACH SICHTUNG DER MAUKEN »EINEN MOMENT« SAGT, IN DER WERKSTATT VERSCHWINDET UND MIT EINER FLEX ZURÜCKKEHRT.
    ANSONSTEN: IMMER SCHÖN DRAN DENKEN, DIE NASEN- UND OHRHAARE ZU ENTFERNEN.
    Die wachsen im Alter wie Gras und sehen wirklich doof aus! Ich habe einen Nasenhaarschneider. Das ist komisch, sich so ein brummendes Ding in den Zinken zu schieben. Aber es wirkt.

Restlaufzeit?
    WIE VIELE UND WAS FÜR JAHRE BLEIBEN MIR NOCH?

    Jeder, der fünfzig wird, stellt sich irgendwann mal diese Frage. Verständlich, aber gänzlich für den Arsch, um es mal deutlich zu sagen. Denn, wenn man sich zu oft, zu intensiv mit dieser Frage beschäftigt, muss man zwangsläufig schlecht drauf kommen. Mir als Zwangscharakter und neurotisches Nervenbündel ist das selbstverständlich passiert. Ich malte mir aus, dass es ab jetzt nur noch bergab gehen wird, sah mich schlurfend und sabbernd im Altenheim herumtapern und stellte mir vor, ich würde als Alzheimerpatient jeden Tag neue Leute kennenlernen - nämlich meine Familie. Es war grauenhaft. Man muss das lassen. Ganz konsequent verdrängen, so was. Ich versuche das jetzt auch. Geht irgendwie immer besser. Denn mir wurde sozusagen kürzlich der Kopf gewaschen.
    »WIE WÄR’S ZUR ABWECHSLUNG MAL MIT EIN WENIG DANKBARKEIT«, SAGTE MIR ZU DIESEM PROBLEMFELD EIN GUTER FREUND, DER NOCH ÄLTER IST ALS ICH.
    »Denk doch mal dran, was du alles schon erlebt hast. Du hast ‘ne tolle Frau und zwei gesunde Söhne. Du bist - mal abgesehen von deiner grundsätzlichen Vollklatsche - gesund. Hast einen guten Job. Was willst du denn noch vom Leben?«
    »Dass es immer so weitergeht«, sagte ich.
    »Das wäre total ätzend«, antwortete er. »Stell dir vor, du und deine Lieben, ihr wäret unsterblich. Dann wäre alles irgendwie egal. Alles könnte man auch morgen noch machen. Der Augenblick, der
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