Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Alter Hass rostet nicht

Alter Hass rostet nicht

Titel: Alter Hass rostet nicht
Autoren: Jerry Cotton
Vom Netzwerk:
dicke, graue Stahltür an der Westseite des Gebäudes und beschrieb mit den Händen eine Explosion. Ich nickte. Er hatte die Tür mit Plastiksprengstoff präpariert.
    Wir folgten ihm zu einem niedrigen, aus weißen Backsteinen gemauerten Unterstand schräg gegenüber der Tür. Es roch nach verfaulten Abfällen und Urin, aber die Mauer bot eine gute Deckung gegen die Druckwelle der bevorstehenden Explosion.
    Zeery gab den Scharfschützen ein Zeichen und nickte uns kurz zu. Dann hielt er sein Feuerzeug an die Zündschnur.
    Die Explosion riss ein dröhnendes Loch in die Nacht. Stahlgeschosse und Mauerstücke zischten an uns vorbei. Dann wurde es still, und eine gewaltige Staubwolke hüllte alles ein.
    Wir hielten den Atem an. Die Waffen gezückt, starrten wir auf das Loch in der Mauer und warteten darauf, dass der Staub sich verzog.
    Dann bot sich uns eine bizarre Szenerie. Ein Mann kauerte im Licht einer nackten Glühbirne zusammengesunken auf einem Hocker. Er zitterte am ganzen Leib und starrte mit angstgeweiteten Augen auf uns.
    Carlo Berkovich.
    Vor ihm stand ein halbfertiges Bild auf einer Staffelei. Aber das war kein neuer Canaletto. Das war ein Porträt von Kailee Anderson.
    ***
    »Wo fahren wir eigentlich hin?«, quengelte Kailee mit ihrer Kleinmädchen-Stimme. »Ich habe Durst, Martin. Und auf die Toilette muss ich auch.«
    Wie er diese Stimme hasste! Martin Knudson umklammerte das Lenkrad, bis seine Knöchel weiß wurden. Nur nicht die Nerven verlieren, ermahnte er sich im Stillen. Bald musst du diese Stimme nie mehr wieder hören.
    »Das hab ich dir doch schon erklärt, Liebling. Wir fahren nach Connecticut. Da habe ich Freunde, die uns helfen werden. In ein paar Tagen liegen wir an irgendeinem Sonnenstrand in Europa und haben keine Sorgen mehr.«
    Er wusste es seit vier Tagen. Da hatte Kailee eine SMS aus Paris geschickt, die eigentlich für Carlo bestimmt war. Sie hatte ihren Fehler bis heute nicht bemerkt, die dumme Kuh! Dafür war er im Bilde.
    »Pass doch auf!«
    Im letzten Moment konnte Martin Knudson ausweichen. Auf der dunklen Straße war ihm ein streunender Hund vor den Kühler gelaufen. Er war so in Gedanken gewesen, dass er ihn nicht gesehen hatte.
    »Ich glaube, du wirst langsam alt«, bemerkte Kailee spitz.
    Er schluckte die Antwort hinunter. Ruhig Blut. Bald musste er sich ihre verletzenden Kommentare nicht mehr anhören. Bald würde sie für immer schweigen. Er seufzte erleichtert auf bei dieser Vorstellung.
    »Ist es noch weit?«
    So etwas fragten kleine Kinder, wenn es in den Urlaub ging. Und in gewisser Weise war sie das auch geblieben. Ein kleines Mädchen, für das das Leben ein einziger, großer Kindergeburtstag war.
    Aber das Leben bestand nicht nur daraus. Das Leben war hart. Und es hinterließ Spuren. Auch bei Kailee. Auch wenn sie alles tat, das zu verbergen. Die kosmetische Industrie hatte Grenzen. Und sie nahm böse Rache an dem, der das nicht einsehen wollte.
    Kailee Anderson sah schon lange nicht mehr aus wie Miss Australia. Sie sah aus wie ihre eigene Karikatur.
    »Martin, ich verdurste! Besorg mir was zu trinken. Für meine Haut ist es auch nicht gut, wenn ich dehydriere.«
    Auch nicht für dein Hirn, mein Schatz. »Moment, ich glaube, ich hab was eingepackt.«
    Er fuhr den Wagen an den Straßenrand und stieg aus. Die Landschaft in dieser Gegend war ausgesprochen eintönig. Felder und Wiesen, soweit das Auge reichte. Alle paar Kilometer ein einsamer Weiler, der wie ausgestorben wirkte. Dazu die tief hängenden Wolken vor der schmalen Mondsichel. Trostlos.
    Knudson holte die Plastikflasche Eistee aus der Reisetasche auf dem Rücksitz. Der Tee war präpariert. Wenn sie einen Becher davon trank, würde sie sehr lange schlafen. Lange genug, um den Stone Hill River auf der anderen Seite des Berges zu erreichen. Es würde wie ein Selbstmord aussehen. Nachdem der Betrug mit den gefälschten Canalettos aufgeflogen war, hatte sie Tabletten geschluckt und war ins Wasser gegangen. So ein theatralischer Abgang passte zu Kailee. Alle ihre Freunde würden das bestätigen.
    Er goss einen Becher voll und reichte ihn ihr.
    »Ist sogar noch ein bisschen kalt.«
    Sie trank ihn in einem Zug leer und verlangte mehr.
    Dann fuhren sie weiter. Nach einer Weile stieg die Straße langsam an. Jetzt war es nicht mehr weit. Knudson warf einen prüfenden Blick zu ihr rüber. Die Augenlider wurden schwer. Ihr Blick war gläsern und der Kopf fiel immer wieder zurück gegen die Stütze.
    »Ich schlafe ein
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher