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Als schliefe sie

Als schliefe sie

Titel: Als schliefe sie
Autoren: Elias Khoury
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Steintreppe zu den Gästezimmern im oberen Stockwerk hinauf.
    Die Ofenwärme drang den drei Gästen, die immer noch stehend auf Wadî’a warteten, wohlig in den Körper. Mansûr trat an eines der Bilder an der Wand heran.
    »Komm, schau dir das an«, rief er seine Frau. »Guck, Faisal. Das ist König Faisal I.« 3
    Ohne Hast folgte Milia der Aufforderung. Ein vergoldeter Rahmen. Darin ein Foto von Männern mit Tarbûsch auf dem Kopf. In ihrer Mitte ein kleiner, hagerer Mann. Das Gesicht länglich, blass. Er blickt in die Ferne, ohne aber etwas zu sehen, wie es schien.
    »Das ist Faisal«, erklärte Mansûr, auf den hageren Mann zeigend.
    »Hat er etwa auch seine Flitterwochen in Schtûra verbracht?«, spottete der Fahrer.
    »Was wissen denn Sie schon!«, entgegnete Mansûr. »Wir werden unseren Sohn Faisal nennen«, bestimmte er, Milia in die Augen schauend. »Und, was denkst du?«
    Milia gab keine Antwort. Sie ging davon aus, dass Mansûr den Erstgeborenen nach seinem Vater Schukri nennen würde.
    »Was weiß ich«, sagte sie schließlich.
    »Und was denken Sie?«, fragte Mansûr den Fahrer, der Hände reibend am Ofen stand.
    »Verflixte Kälte! Na ja, Sie haben’s jedenfalls gut, Herr Bräutigam«, kommentierte er und steckte, wie um die Wärme zu speichern, die Hände in die Hosentaschen, während er Milia fixierte.
    Milia stand neben Mansûr vor dem Foto, auf dem jener syrische König abgelichtet war, der von der französischen Armee aus Damaskus vertrieben wurde und von den Engländern ein neues Königreich im Irak bekam.
    »Ihr Gatte hat es gut, verehrte Braut!«, wiederholte er und warf sich in den nächsten Sessel.
    Der Hotelbesitzer erschien. Mit ihm zwei kleine Frauen. Die eine hellhäutig, halb blind, in den Sechzigern. Die andere brünett und um die dreißig. Dennoch glichen sie sich wie Zwillinge.
    »Wadî’a, führe das Brautpaar zu Zimmer 10 «, befahl Georges Masâbki.
    Beide Frauen setzten sich in Bewegung. Synchron, wie eine Person, gingen sie auf den Fahrer zu.
    »Kommen Sie, Herr Bräutigam!«, sagte Wadî’a I.
    »Wer von Ihnen ist denn eigentlich der Bräutigam?«, fragte Wadî’a II irritiert, die Brauen runzelnd.
    »Der da«, bestimmte Wadî’a I, auf den Fahrer zeigend, der im Sessel fast eingeschlafen war.
    »Ich, ich bin der Bräutigam«, stellte Mansûr klar.
    »Verzeihung, mein Herr. Ich dachte, er sei der Bräutigam. Es ist nämlich so, dass die hässlichsten alten Glatzköpfe immer die schönsten Bräute aufs Hochzeitszimmer führen. Die armen Frauen!«
    »Halt den Mund, Wadî’a«, befahl der Hotelbesitzer gähnend.
    »Nein, er hier ist der Bräutigam. Ich hab’s gewusst«, sagte die brünette Ausgabe, Wadî’a II , und packte Mansûr am Arm, um ihn ins Zimmer zu führen.
    »Und was ist mit mir?«, meldete sich der Fahrer.
    »Wieso? Wer sind Sie?«, fragte Wadî’a I.
    »Ich bin Hanna Aramân.«
    »Schön. Aber wer sind Sie?«
    »Er ist der Chauffeur, der uns hergefahren hat. Und er braucht eine Bleibe«, erklärte Mansûr.
    Wadî’a I sah Wadî’a II , dann Georges Masâbki an.
    »Zimmer 6. Heizt den Ofen in Zimmer 6 «, murmelte der Hotelbesitzer und wünschte dem Brautpaar eine angenehme Nacht.
    Er beugte sich über den Ofen, schaltete ihn aus und verschwand in seinem Zimmer am Ende der Hotelhalle. Die drei Gäste folgten den beiden Wadî’as die lange Treppe hinauf zu den Zimmern, die einander gegenüberlagen.
    Wadî’a II schloss eines der beiden Zimmer für das Brautpaar auf. Wadî’a I blieb tuschelnd mit dem Fahrer vor Zimmer 6 stehen.
    Milia trat ein. Ein großes Zimmer. Darin ein breites Bett. An der gegenüberliegenden Wand ein Spiegel. In der Mitte des Raumes ein quadratischer Tisch mit orangefarbenem Tischtuch. Darauf eine Flasche Champagner, zwei Fladen Brot und ein Teller mit weißem Käse in mundgerechten Würfeln. Links vom Bett das Bad. Neben dem Tisch ein geheizter Ofen. Mansûr schloss die Tür. Milia hörte trotzdem den Fahrer und Wadî’a I auf dem Flur tuscheln und lachen.
    Was dann in dem Zimmer geschah, wusste Milia später nicht mehr genau. Sie erinnerte sich noch, dass Mansûr den Mantel auszog und hinter die Tür hängte. Dass er an den Tisch ging, die Flasche nahm, den Korken knallen ließ, weiß sprudelnden Schaum in zwei Gläser füllte, ihr eines reichte und das andere in die Luft hob.
    »Zum Wohl, meine liebe Braut!«
    Milia nippte an dem Glas, schluckte perlende Bläschen von der Oberfläche, spürte eine leichte Übelkeit in sich
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