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Als Oma bist du ja ganz nett: Wie meine Mutter ein Enkelkind bekam (German Edition)

Als Oma bist du ja ganz nett: Wie meine Mutter ein Enkelkind bekam (German Edition)

Titel: Als Oma bist du ja ganz nett: Wie meine Mutter ein Enkelkind bekam (German Edition)
Autoren: Anja Maier , Hanna Maier
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stärker als noch am Anfang.« Wie auswendig gelernt aus dem Lehrbuch klingt es, was sie sagt. Ha, denke ich bei mir, du bist doch noch grün hinter den Ohren. Was verstehst du denn schon von Konsequenz? Viel zu stolz bin ich, um das Gespräch weiter in Richtung des eigentlichen Problems zu lenken: Ich kann mich manchmal einfach nicht gut durchsetzen. Vor allem nicht in der Öffentlichkeit. Meine Methode mit dem Streicheln setzt darauf, dass das Kind konditioniert wird. Aber macht das Sinn? Versteht sie das überhaupt? Ich denke mir meinen Teil: Keine Ahnung, aber ich will, dass sie das kann.
    Muss ich also doch Mami fragen. So, dass sie nicht merkt, dass sie gerade gefragt wird. Wir telefonieren häufig über das Internet, so können Omi und Opi das Kind auch mal zwischendurch sehen. Wir reden also gerade über dies und das, als Sophie sich plötzlich, auf meinem Schoß sitzend, umdreht, mir ihre Finger ins Gesicht krallt und kräftig nach unten zieht. Durch den Schmerz hindurch erkenne ich die Gelegenheit. »Aua«, rufe ich. »Boah, Sophie, aua. Mach bitte ei.« Sophie weigert sich. Ich blicke auf den Bildschirm und sehe, wie die Augenbrauen meiner Mutter zehn Zentimeter weiter oben sind als noch vor drei Sekunden. Ich erkläre mich: »Sie macht das zurzeit echt oft. Und das tut weh. Sie soll lernen, dass sie nicht grob sein sollte.« Ich sehe, wie es meiner Mutter auf der Zunge brennt, da springt mein Vater ein, wohl wissend, dass das hier gerade eine heikle Situation werden könnte: »Soophiihiee. Schau mal, hier ist dein Schnuller, den du beim letzten Mal vergessen hast.« Meine Mutter und ich blicken uns durch die Bildschirme an, und da weiß ich es sofort: Was ich von meiner Tochter erwarte, ist offenbar zu viel verlangt. Dass ich mir da so sicher bin, liegt einerseits an den transzendentalen Signalen, die ich von meiner Mutter empfange. Andererseits aber auch daran, dass ich mir sicher bin, dass meine Mutter es wissen muss. Schließlich hat sie Erfahrung mit meiner Schwester und mir. Und wenn ich jetzt anzweifeln würde, dass sie das schon richtig gemacht hat, würde ich automatisch auch mich und meine eigene Erziehung anzweifeln. Und das geht nicht, weil sich ja dann der Hund in den Schwanz beißt. Wenn ich sogar meine eigene Erziehung anzweifle, dann habe ich überhaupt keinen Fixpunkt mehr. Dann muss ich womöglich anfangen, Ratgeber zu lesen, oder mich in Muttikreisen treffen. Und da will ich nicht hin. Denn das wäre das ultimative Eingeständnis meiner eigenen Unsicherheit. Dann bleibe ich lieber Monarchin und mache meine Zweifel mit mir selbst aus. Bloß keine Schwächen zeigen.
    Das Problem mit dem Hauen hat sich – wie sollte es anders sein – irgendwann von allein gegeben. Ich habe versucht, nach meinen heftigen Reaktionen darauf einfach gar nicht mehr zu reagieren. Und siehe da: Sie hat sich sehr bald eine neue Lieblingsbeschäftigung für die Bahn gesucht. Sie legt sich jetzt immer quer über eine ganze Sitzbank, und wenn ich sie da wegnehme, wird sie plötzlich zu einer aufgeschreckten Würgeschlange, die sich wild um sich selbst dreht. Dazu noch Geschrei wie ein wild gewordener Adler, und die genervten Blicke sind vorprogrammiert. Hoffentlich kann ich da bald mal wieder mit meiner Mutter Telefonblicke austauschen, bevor ein aufgebrachter Fahrgast mich anblafft: »So geht das nicht. Sie lernt das nie, wenn Sie ihr das durchgehen lassen.«
    SOPHIE MACHT EIGENTLICH ALLES RICHTIG, UND ERZIEHUNG IST AUCH NUR VERSCHÜTTETE MILCH
    Sophie ist ein nettes Kind. Sie wartet erst einmal ab, ob sie jemandem, den sie kaum kennt, ihre Zuneigung schenken soll. Wenn nicht, bleibt sie still auf dem Schoß sitzen. Wenn doch, schenkt sie jene stürmische Art von Liebe, wie sie Kleinkinder im Repertoire haben. Voller Freude und Urvertrauen pfeift sie dann zum Beispiel auf die Gesetze der Schwerkraft und wirft sich kopfüber nach vorn oder hinten. Oder sie krallt sich mit ihren spitzen Fingernägeln im Gesicht des präferierten Erwachsenen fest und juchzt.
    Die Reaktion darauf überrascht sie immer wieder. »Aua!«, sagen die Erwachsenen dann und gucken streng. Man sieht dann das pure Erstaunen in Sophies Gesicht. Warum so laut, warum so anders, hab ich was falsch gemacht? Ja, hast du, möchte man sie anzischen. Aber wer ist man als Erwachsene, solch einer kleinen Dame wegen eines Überschwangs der Gefühle böse zu sein? Dass Fingernägel, Fäuste oder kneifende Hände in anderer Leute Gesicht nichts zu suchen
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