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Als Oma bist du ja ganz nett: Wie meine Mutter ein Enkelkind bekam (German Edition)

Als Oma bist du ja ganz nett: Wie meine Mutter ein Enkelkind bekam (German Edition)

Titel: Als Oma bist du ja ganz nett: Wie meine Mutter ein Enkelkind bekam (German Edition)
Autoren: Anja Maier , Hanna Maier
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mädchenhaftes Sirren, und aus ihrem Mund kommen die lustigsten Bemerkungen, die man sich vorstellen kann. Sie hat einen subtilen Humor, der ohne Scheu ist und andere umhauen kann. So etwas nennt man Selbstironie. Als sie ungefähr fünf Jahre alt war, waren wir zusammen auf einem Konzert, so einem kleinen, fünfhundert Zuhörer etwa, vier Bands. Ein kleines Mädchen am Bühnenrand: Hanna. Sie kannte alle Songs, die an diesem Sommersonntag gespielt wurden, es war ja die Musik, die auch zu Hause lief. Sie stand vorn am Bühnenrand, gekleidet in ein unmögliches lilaweiß gestreiftes Kleid, und sang und tanzte. Ich sah sie da vorn, sie zappelte und bewegte die Lippen und guckte nicht rüber – sie machte das sichtlich ausschließlich zu ihrem persönlichen Vergnügen. Es war ein Moment, in dem Fremde vermutlich nur dieses geltungsbedürftige kleine Mädchen da vorn sahen – aber ich erkannte meine Tochter, die es wirklich verstand, auf eine coole Art mit sich allein sein zu können.
    Diese Gabe, dieses Alleinseinkönnen, Löcher in die Luft gucken, vor sich hinsingen, etwas schreiben und zeichnen, sich selbst genug sein – diese Gabe trägt Hanna durch ihr Leben. Wenn’s mal hart kommt – Tür zu und Musik an. Oder Tür zu und was schreiben. Bei sich sein. Das geht.
    Hart wird es nur, wenn sie zu wenig Schlaf hat. Dann kann sie schon mal sehr ungemütlich werden. Hannas Augen verschieben sich dann, kein Quatsch, sie stehen einfach auf unterschiedlichen Höhen in ihrem Gesicht. Sie weiß eigentlich immer schon selbst, was helfen würde: ein paar Stunden den Stecker ziehen. Aber sie geht erst in ihr Bett, wenn sie ein bisschen Unmut auch an andere verteilt hat. Wenn man sie liebt – und das tun viele –, verbucht man solche Momente unter Stromausfall. Oder unter Netzwerkpflege.
    Denn meistens, allermeistens sogar, ist sie guter Dinge. Sehr guter Dinge. Sie quatscht und quasselt, sie plaudert und parliert, dass es eine Freude ist. Sie kennt sich aus mit vielen Dingen und lässt ihre Umwelt gern an ihrem mitunter gut gepflegten Halbwissen teilhaben. Außerdem hat sie die unschätzbare Gabe, sich in andere Leute hineinversetzen zu können, ihnen gut zuzuhören und Dinge auf den Punkt zu bringen.
    Schon als sie ein kleines Mädchen war, fanden Partys bei uns zu Hause immer ausdrücklich auch mit Hanna als Gast statt. Sie zog sich etwas Hübsches an und mischte sich mit ihrem Colaglas unter die Gäste. Wir hatten Freunde, die kamen nicht nur, weil wir uns gut miteinander verstanden, sondern auch, weil bei uns eine Neunjährige wohnte, mit der sie ausgesprochen gern den Abend verbrachten. Hanna hatte – und hat – ein überaus vitales Interesse an allem Abseitigen. Sie fragt Leute aus und zieht ihre Schlüsse, an denen sie wiederum ihre Gesprächspartner teilhaben lässt.
    Ich kenne ein Ehepaar, das sich damals entschlossen hat, selbst Kinder haben zu wollen, weil sie dieses Kind Hanna kennengelernt hatten. Das ist doch eine Riesensache, wenn man es recht bedenkt – mitverantwortlich dafür zu sein, dass zwei weitere Menschen auf dieser Welt sind.
    Als Hanna älter wurde und ins Gymnasium kam, nützte ihr ihre Redegewandtheit natürlich. Sie plauderte sich durch den Geschichts- und den Ethikunterricht, sie war bei Aufsätzen und Gedichtinterpretationen den Tränen nah – so poetisch fand sie, was sie zu sagen hatte. Als es aber um naturwissenschaftliche Fächer ging, stieß sie erstmals an Grenzen.
    Es gab einen Lehrer in Hannas Leben, der ihr Dämon und ihr Retter wurde, ohne es selbst wohl jemals begriffen zu haben. Dieser Lehrer, ein Marathon laufender Mathematiker, war reichlich genervt von diesem Mädchen. Er erkannte nicht nur, dass da so eine selbstbewusste Blonde versuchte, sich um seine schönen mathematischen Gesetze herumzumogeln – nein, er sprach es auch angelegentlich eines Eltern-Lehrer-Kind-Gesprächs aus. »Hanna? Da sehe ich für die Abschlussprüfung erhebliche Probleme«, sagte er. Hanna hörte, was er sagte, und verstand, dass da offenbar jemand ernsthaft der Ansicht war, dass sie scheitern könnte. Dass er es möglicherweise sogar für geboten hielt, dieses Mädchen mal verlieren zu lassen.
    Jahre später trafen wir diesen Lehrer wieder. Es war die Abiturfeier von Hannas jüngerer Schwester, und als Hanna ihn erblickte, sah ich, wie sich alles in ihr sträubte. Das war unnötig. Denn Hanna hatte sich damals auf ihren Hosenboden gesetzt und in einem Gewaltakt Mathematik gelernt. Und dann, weil
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