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Als Musik meine Sprache wurde - Die offizielle Autobiografie (German Edition)

Als Musik meine Sprache wurde - Die offizielle Autobiografie (German Edition)

Titel: Als Musik meine Sprache wurde - Die offizielle Autobiografie (German Edition)
Autoren: Unheilig
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Selbstvertrauen, das ich durch meine Arbeit an meinen Instrumenten gewonnen hatte. Von dem Zeitpunkt an, ab dem ich meine Lieder schreiben, programmieren und aufnehmen konnte, änderte sich mein Leben. So, wie ich eines Tages einfach aufgehört hatte zu sprechen – so fing ich auch wieder damit an.
    Warum ich mein erstes Lied gerade »Success« genannt habe, weiß ich heute nicht mehr. Vielleicht entstand es damals eher aus einem Wunschdenken heraus. Ich wollte offenkundig mit meiner Musik Erfolg haben. Dabei hatte ich mit meiner Musik doch den größten Erfolg bereits errungen: Ich sprach wieder!

Der Dämon
    Ich sprach wieder. Und ich sprach viel, schließlich hatte ich – nach der langen Zeit des Schweigens – einiges nachzuholen. Nur leider musste ich schon bald erkennen, dass es nicht nur von Vorteil war, wenn man ein erhöhtes Mitteilungsbedürfnis hatte. Besonders in der Schule. Die Lehrer mochten es nicht, wenn man ihnen widersprach oder bestimmte Dinge kritisch hinterfragte. Während in der Vergangenheit meine mündlichen Noten eher schlecht beurteilt worden waren, da ich mich in keiner Weise an dem Unterricht beteiligt hatte, gehörte ich fortan zum Leidwesen meiner Umgebung zu denjenigen, die unaufhörlich redeten und ständig alles infrage stellten. Angriff ist die beste Verteidigung, dachte ich mir, und dementsprechend verhielt ich mich auch.
    Ich hatte einfach Spaß am Reden gefunden und konnte im Laufe der Zeit auch feststellen, dass mir das Sprechen immer weniger Probleme bereitete. Ich war sogar in der Lage, den anderen beim Sprechen in die Augen zu sehen, was mir über viele Jahre hinweg schlichtweg unmöglich gewesen war. Ich suchte geradezu Situationen, in denen ich mich anderen Leuten gegenüber behaupten musste, indem ich sie ansah und ohne Hemmung ansprach. Ich wurde immer sicherer und konnte viel offener mit meiner Umwelt umgehen, was mich in manchen Situationen zwar noch immer eine gewisse Überwindung kostete, aber mich gleichwohl nicht mehr abhalten konnte.
    Auch in meinem Elternhaus war es wieder ein wenig entspannter geworden. Ich musste daheim nicht mehr vorlesen und somit verschwand dieser Druck eines Tages so, wie er einmal gekommen war. Und auch das Tischtennis hatte ich endlich aufgegeben. Das mochten die ersten Vorboten der Pubertät und der Auflehnungsversuche gegenüber meiner Eltern gewesen sein, aber auch diese Entscheidung hatte nur Vorteile. Ich musste nicht mehr ständig darauf schielen, ob ich den Anforderungen meines Vaters genügen konnte. In unserem Keller wurden nicht mehr Bälle geschlagen, sondern Töne produziert, was mir doch deutlich mehr Erfüllung geben konnte. Dort saß ich in einer abgeschirmten Welt, in der ich mich vollkommenen ungestört meinen Klangfantasien hingeben konnte.
    Musikalisch hatte ich mich mittlerweile von »Trio« entfernt und zu komplexeren Konstrukten hinbewegt. Es wurde düsterer und pathetischer. Über meinen Bruder war ich zu jener Zeit auf Depeche Mode und später auf die Sisters of Mercy gestoßen. Gleichzeitig hatte ich in jenen Jahren auch Pink Floyd entdeckt. Angefangen hatte es – wie damals bei fast jedem Jugendlichen – mit dem Album The Wall . Und in dem Stück »Another Brick in the Wall Part 2« kam ein Schülerchor zum Einsatz, der mich – das sollte sich viele Jahre später zeigen – offenkundig tiefer beeindruckt hatte, als ich damals ahnen konnte …
    Aber zunächst hatte ich noch ganz andere Sorgen. Meine Zu kunft. In der Schule geisterte mit einem Mal das Thema Berufswahl herum, obwohl es bis zur Abschlussprüfung noch zwei Jahre hin waren. Gleichwohl wurden die Fragen nach der beruflichen Zukunft von den Lehrern schon sehr intensiv gestellt. Ich selbst musste eigentlich gar nicht lange überlegen. Die Antwort lag für mich auf der Hand: Musiker!
    Dieser Berufswunsch indes stieß nicht auf den tosenden Beifall meiner Eltern, und auch meine Lehrer waren wenig begeistert. Vermutlich hielten sie das Ganze für den naiven Traum eines Teenagers, den man zunächst einmal auf den Boden der Realität zurückholen musste. Lerne erst mal etwas Vernünftiges, hieß es – und dann wird man ja sehen. Denn Musik galt als Unvernunft, gerade in einer Kleinstadt wie meiner …
    Vordergründig war das also ein Hirngespinst, zumal ein Musikstudium im Grunde gar nicht infrage gekommen wäre. Eine Hochschule hätte ich selbst finanzieren müssen und – nach allem, was ich damals wusste – ein Studium hatte auch nichts mit
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