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Als Musik meine Sprache wurde - Die offizielle Autobiografie (German Edition)

Als Musik meine Sprache wurde - Die offizielle Autobiografie (German Edition)

Titel: Als Musik meine Sprache wurde - Die offizielle Autobiografie (German Edition)
Autoren: Unheilig
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der Musik zu tun, wie ich sie mochte.
    Aber ich hatte einen Plan. Ich musste etwas tun, womit ich viel Geld verdienen konnte, um mir irgendwann ein eigenes Studio leisten und damit meine Musik eigenhändig und professionell produzieren zu können. Mit dieser Motivation im Hinterkopf machte ich mich auf die Suche nach einem geeigneten Job. Ich musste etwas finden, womit ich mir das Geld verdienen konnte, um mir meinen Traum von der Musik schon bald leisten zu können.
    Ein reichlich ambitioniertes Vorhaben, zumal es in jener Zeit schwer genug war, nach der Schule überhaupt einen Beruf zu finden. Aber ich hatte ein Ziel, und das galt es umzusetzen – ganz egal wie. Und so setzte ich mir in den Kopf, zur Bundeswehr zu gehen und mich für vier Jahre zu verpflichten. Dort würde ich vom ersten Tag an vergleichsweise viel Geld bekommen, ohne im Grunde etwas können zu müssen. Ich hätte keine Ausbildung gebraucht, konnte vier Jahre nicht gekündigt werden und bekam am Ende auch noch eine fette Abfindung, die ich sofort in mein Studio stecken könnte.
    Zu meiner Überraschung stieß ich bei meinen Eltern mit meinem Vorhaben auf wenig Gegenwehr – meine damaligen Lehrer indes schienen entsetzt. Zivildienst ja, Wehrdienst eher nicht – Zeitsoldat: Nein! Niemals! Ich muss wohl der Einzige unter mehr als tausend Schülern gewesen sein, der zur Bundeswehr gehen wollte. In einem durch und durch friedensbewegten Lehrkörper eine Horrorvorstellung. Die Welt im Kalten Krieg, Deutschland vollgepackt mit Atomraketen – auf den Autos der Pädagogen Aufkleber mit Friedenstauben und Panzern, aus deren Kanonenrohren Blumen wuchsen, und dann kommt da ein Junge daher – ein musischer überdies – und kündigt an, dass er zum Militär möchte …
    Meine Pläne stießen natürlich auf Ablehnung – man muss fast von Abneigung sprechen –, obwohl meine Motive eigentlich ganz klar waren. Aber all das zählte nicht. Ich wusste für mich, dass es die richtige Entscheidung war, auch wenn mein Umfeld mich nicht verstehen konnte – oder verstehen wollte. Denn ich hatte einen Traum. Nur leider passte der so gar nicht in das Weltbild meiner Lehrer.
    Für Politik interessierte ich mich zu jener Zeit überhaupt nicht. Ich war völlig auf meine Musik fokussiert, alles andere hatte in meiner Welt weder Raum noch Zeit. Die Aufregung um meine Zukunftspläne war mir gänzlich fremd. Ich wollte doch nur zur Bundeswehr und nicht zur Fremdenlegion oder zur Rote Armee Fraktion. Ganz abgesehen davon hatte ich es als äußerst spannend und aufregend empfunden, das elterliche Nest zu verlassen und mich auf eigene Füße zu stellen – ein Schritt, den ich bis dahin nie machen musste.
    Aber die Sache nahm ihren Lauf. Eines Tages wurde ich ohne jede Vorwarnung plötzlich von unserem stellvertretenden Schulrektor aus dem Unterricht gerufen. Wenn so etwas geschah, wussten eigentlich alle, dass etwas Schlimmes passiert sein musste. Kein Schüler wurde ohne triftigen Grund aus dem Unterricht geholt – schon gar nicht von dem stellvertretenden Rektor. Und nun war ich an der Reihe und ich hatte keine Ahnung, was ich eigentlich verbrochen haben könnte.
    Er ließ mich zu sich kommen und bat mich zu einem Gespräch. Ich durfte mich setzen und wartete auf eine Standpauke, ohne zu wissen, was sie zum Inhalt haben würde. Zu meinem Erstaunen stellte sich dann jedoch heraus, dass der Mann aus seinem Leben berichtete. Wie sich herausstellte, hatte mein Rektor offenbar selbst einige Jahre bei der Bundeswehr verbracht. Er war wohl ein Reserveoffizier und dozierte in epischer Breite über seine eigenen Militärerfahrungen. Was ich nicht ganz verstehen konnte, bis er schließlich zum Punkt kam …
    »Du weißt, du bist nicht dafür gemacht, vor Menschen zu stehen und zu sprechen ... Suche dir einen Beruf, in dem du mit niemandem reden musst und keinen Kontakt mit Menschen hast … Irgendetwas in einem Büro oder so … Hauptsache, du musst nicht vor Menschen stehen und reden – denn sie werden dich nur auslachen und niemals ernst nehmen …«
    Ich war wie gelähmt. Die Arroganz in seinen Augen fraß mich beinahe auf und ich brachte kein Wort mehr heraus. Ich weiß noch ganz genau, wie sich mir die Kehle zusammenschnürte, und ich habe diese Sätze und Worte bis heute nicht vergessen. Dabei hatte mich dieser Mann doch gar nicht gekannt. Ich hatte bis dahin nie auch nur ein Wort mit ihm gesprochen und keine einzige Minute in seinem Unterricht gesessen … Und
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