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Als ich vom Himmel fiel

Als ich vom Himmel fiel

Titel: Als ich vom Himmel fiel
Autoren: Juliane Koepcke
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Grund auf ändern sollte: Ich stürzte mit einem Flugzeug ab, überlebte wie durch ein Wunder sogar noch viele Tage ganz allein auf mich gestellt inmitten des Dschungels und fand den Weg zurück zu den Menschen. Damals wurde mir mein Leben ein zweites Mal geschenkt, es war wie eine zweite Geburt. Nur dass diesmal meine Mutter ihr Leben verlor.
    Meine Mutter erzählte mir oft, wie glücklich sie war, damals, als sie mit mir schwanger wurde. Meine Eltern betrieben ihre intensiven Forschungen gemeinsam und liebten ihre Arbeit über alles. Sie hatten sich in Kiel während des Studiums kennengelernt, und da es im Nachkriegsdeutschland für promovierte und leidenschaftliche Biologen schwierig war, eine angemessene Stelle zu finden, hatte mein Vater sich dazu entschlossen, in ein Land mit einer hohen, noch nicht erforschten Biodiversität auszuwandern. Seine damalige Verlobte, Maria von Mikulicz-Radecki, war begeistert von dem Plan und kam nach ihrer Promotion nach, was damals ein unerhörtes Unterfangen für eine unverheiratete junge Dame war. Meinem Großvater war es gar nicht recht, dass meine Mutter die weite Reise ganz allein antrat. Doch wenn sie sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann konnte man es ihr nicht mehr ausreden. Mein Mann behauptet übrigens, das hätte ich von ihr geerbt.
    In der Kathedrale des Stadtteils Miraflores in Lima heirateten sie bald nach ihrer Ankunft in der Neuen Welt. Enttäuscht war meine Mutter darüber, dass sie als Katholikin meinem Vater, der evangelisch war, nicht am Hauptaltar, sondern in einer kleinen Nebenkapelle angetraut wurde. Damals waren ökumenische Heiraten in der Minderzahl, und der katholische Pfarrer versuchte in der Folge, sehr auf meine Mutter einzuwirken, dass sie meinen Vater »zum rechten Glauben führen möge«. Dieses Insistieren verärgerte meine Mutter derart, dass sie aufhörte, den katholischen Gottesdienst zu besuchen, und sich nach meiner Geburt auch entschloss, mich nicht katholisch, sondern evangelisch taufen zu lassen.
    Damals, als meine Eltern getraut wurden, sprach meine Mutter noch kein Spanisch, und darum konnte sie der Trauungszeremonie nicht folgen. Irgendwann wurde es seltsam still in der Kirche, und dann sagte der Priester: »Señora, Sie müssen jetzt sí sagen.«
    Und »Sí « – also »Ja « – haben beide aus vollem Herzen gesagt. Nicht nur zueinander, sondern auch zu der Art von Leben, das sie gemeinsam führen wollten. Aus ihrer kleinen Wohnung zogen sie bald in ein größeres Haus, das Freunden gehörte, und hier kam ich zur Welt. Später gründeten sie ein paar Straßen weiter das damals in Forscherkreisen bekannte »Humboldt-Haus«, in dem sie Zimmer an durchreisende Wissenschaftler aus aller Welt untervermieteten. Ihren privaten Teil trennten sie einfach mit Vorhängen ab. Das »Humboldt-Haus« in Miraflores sollte als Treffpunkt und Basisstation namhafter Wissenschaftler in die Geschichte eingehen.
    Obwohl also beide mit Leib und Seele an ihrer Arbeit hingen, war ich ein absolutes Wunschkind. Mein Vater freute sich auf ein Mädchen, und als ich an einem Sonntag im Jahr 1954 abends um sieben in der Clínica Delgado im Stadtteil Miraflores von Lima zur Welt kam, ging sein Wunsch in Erfüllung. Ich war ein Achtmonatskind, kam viel zu früh und musste erst in den Brutkasten. Vielleicht war es ein gutes Omen, dass meine Eltern beschlossen, mir den Namen Juliane zu geben. Es bedeutet »die Heitere « – ich finde, der Name passt gut zu mir.
    Zu jener Zeit lebten auch die Mutter meines Vaters und seine Schwester Cordula bei uns in Peru. Meine Großmutter wollte einige Jahre in jenem Land verbringen, in das zwei ihrer Söhne ausgewandert waren. Denn nachdem mein Vater hier Fuß gefasst hatte, entschied sich auch sein jüngerer Bruder Joachim im Jahr 1951 dafür, sich hier eine Existenz aufzubauen. Er arbeitete als Verwalter auf verschiedenen großen Haciendas im Norden des Landes, eine war sogar so groß wie ganz Belgien. Meine Eltern besuchten Onkel Joachim mehrere Male dort in Taulís, das für sie als Zoologen ein ungemein interessantes Gebiet war. Da nämlich hier die Anden mit 200 0 Metern Höhe relativ niedrig sind, findet ein ungewöhnlicher Floren- und Faunen-Austausch zwischen der Ost- und Westseite dieses Gebirges statt, und meine Eltern entdeckten dort einige neue Tierarten. Doch völlig unerwartet und während der Abreiseplanungen meiner Großmutter und Tante in Deutschland verunglückte mein Onkel Joachim in Taulís
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