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Als ich vom Himmel fiel

Als ich vom Himmel fiel

Titel: Als ich vom Himmel fiel
Autoren: Juliane Koepcke
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tödlich. Eben noch kerngesund, verstarb er innerhalb von weniger als zwei Stunden unter Krämpfen, und bis heute ist nicht geklärt, ob er an Tetanus erkrankte oder möglicherweise einer Vergiftung durch Schlafmohnbauern, denen er auf die Schliche gekommen war, zum Opfer fiel.
    Mutter und Schwester hatten aber zuhause bereits alles aufgelöst und beschlossen nun, trotzdem zu kommen. So hatte ich das Glück, in den ersten Jahren meiner Kindheit nicht nur Vater und Mutter, sondern auch Großmutter und Tante um mich zu haben. Die beiden blieben sechs Jahre in Peru, meine Tante arbeitete zeitweise als Chefredakteurin der »Peruanischen Post«, einer deutschen Zeitung in Lima. Dann kehrten sie wieder in ihre Heimat zurück, meine Tante wegen besserer beruflicher Möglichkeiten und meine Großmutter aus gesundheitlichen Gründen und wohl auch, weil sie Heimweh nach Deutschland hatte.
    Ich wuchs mit beiden Sprachen auf, mit Spanisch und Deutsch. Letzteres sprach man zuhause, und meine Eltern legten großen Wert darauf, dass ich ihre Muttersprache perfekt lernte. Das war gar nicht selbstverständlich, einige meiner deutschstämmigen Schulfreundinnen beherrschten die Sprache ihrer Vorväter nur fehlerhaft. Spanisch sprach ich mit meinen peruanischen Freundinnen, mit unserem Hausmädchen und später auch in der Schule. Meine Eltern hatten diese Sprache erst richtig in Peru gelernt, und obwohl sie geschickt damit umgingen, schlichen sich immer wieder ein paar Fehler ein. Doch die Peruaner sind höfliche Menschen. Als meine Mutter einmal erzählen wollte, wie ein Auto »mit Karacho um die Ecke bog«, und es ziemlich wörtlich übersetzte, da wurde sie sanft darauf hingewiesen: »Natürlich können Sie das so sagen, Señora, aber vielleicht sollten Sie es nicht«, denn »carajo« ist im Spanischen ein ziemlich vulgärer Ausdruck, den eine Dame eigentlich nicht in den Mund nehmen darf. Eines Tages, da war ich schon fast erwachsen, fiel mir auf, dass mich mein Vater auf Spanisch siezte. Da sagte ich zu ihm: »Das kannst du doch nicht machen, ich bin doch deine Tochter!« Er aber wurde ganz verlegen und gestand mir, dass er die »Du-Form« nie richtig gelernt habe. Er war ein sehr förmlicher Mensch, hatte wenige Duzfreunde und gebrauchte daher ausnahmslos die Höflichkeitsform.
    In Lima besuchte ich die deutsch-peruanische Alexander-von-Humboldt-Schule. Eigentlich fand der Unterricht meist auf Deutsch statt, doch die damalige Militärregierung legte Wert darauf, dass Fächer wie Geschichte und Länderkunde auf Spanisch gehalten wurden. Ich habe meine Schulzeit als sehr angenehm in Erinnerung, auch wenn die peruanischen Mitschüler aus sehr viel besseren Kreisen stammten. Kein Wunder, denn man musste eine Schulgebühr bezahlen, die sich ärmere Familien nicht leisten konnten. Am Ende der Schulzeit schloss sich eine obligatorische Reise an, die in Peru »Viaje de Promoción« genannt wird. Die machte ich mit, doch das Abitur fiel für mich aus. Dabei wäre extra eine deutsche Abordnung angereist, um uns darin zu prüfen. Doch ein Flug über die Anden sollte alles ändern.
    Kam ich von der Schule nach Hause, war ich umgeben von Tieren. Meine Mutter brachte als Ornithologin ständig Vögel ins Haus, die sich verletzt hatten oder angeschossen worden waren und die wir wieder aufpäppelten. Eine Zeit lang waren Steißhühner, auch Tinamus genannt, ihr hauptsächliches Studienobjekt. Das ist eine Vogelordnung, die äußerlich Ähnlichkeiten mit Rebhühnern aufweist, mit diesen aber nicht näher verwandt ist und nur in Süd- und Mittelamerika vorkommt. Lustig ist, wenn man ihr Gebaren mit dem südamerikanischen Machismo vergleicht. Bei den Steißhühnern haben nämlich die Weibchen das Sagen: Sie haben gleich mehrere Männchen, und die müssen ganz schön ran. Sie bauen das Nest, haben die Eier auszubrüten und die Jungen aufzuziehen, während das Weibchen das Revier verteidigt. Das brachte Probleme in der Zucht mit sich: Wollte ein Männchen vom Nest, um etwas zu fressen, wurde es vom Weibchen prompt wieder auf die Eier gejagt. Die waren übrigens braun wie Schokolade und glänzend wie Porzellan. Manchmal zogen wir auch geschlüpfte Küken auf. Wir fütterten sie vorsichtig mit der Pipette. Am liebsten mochten sie eine Mischung aus hart gekochtem Ei, Hackfleisch und Vitaminpräparaten. Meine Mutter hatte dafür ein echtes Händchen: Kein einziges Mal ist ihr ein Küken bei der Aufzucht gestorben. Ich war damals für die Namensgebung
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