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Als ich lernte zu fliegen

Als ich lernte zu fliegen

Titel: Als ich lernte zu fliegen
Autoren: Roopa Farooki
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Müllkippe von Wohnung, wo sie zwischen Chaos und Dreck lebt, was höchstens ihre betörten Kurzzeit-Lover malerisch finden können. Ihre Mutter dagegen hatte eine wunderbare Haut, bis zu ihrem Todestag ohne die kleinste Falte, und das ohne jede kosmetische Nachhilfe. Für ihr dickes, leicht gelocktes schulterlanges Haar besaß sie nicht einmal einen Föhn, sie drehte es einfach zusammen und steckte es hoch, damit es aus dem Weg war. Als sie mit Yasmin schwanger war, wurden sie einmal zur Hochzeit von Verwandten eingeladen; ihre Mutter war in ihrem schlichten Baumwollsari und dem zum Nackenknoten geschlungenen Haar eine Sensation. »Sie ist einfach umwerfend«, sagte eine schwer mit Schmuck behängte und dick mit Kajal geschminkte Dame aus dem Punjab, die sich die Haare aufdrehen und kunstvoll hatte frisieren lassen. »Dabei trägt sie nicht mal eine Spur Make-up«, beschwerte sich eine andere, als wäre es der Gipfel der Geschmacklosigkeit, mit so wenig Mühe so gut auszusehen. Der Stolz auf seine Mutter blähte den kleinen Asif auf wie die Puris, die Ballonbrote auf dem Buffet; ihre Augenbrauen waren wie Vogelschwingen im Flug, sie trug keinen Schmuck außer ihrem Ehering und ihrem dicken Bauch und brachte doch den ganzen Raum zum Leuchten.
    Asifs Kompliment ist zwar unnötig, aber aufrichtig. Lila hat die Angewohnheit, ihren Stil und ihre Haarfarbe von heute auf morgen drastisch zu ändern, aus einer Laune heraus oder manchmal auch angeregt von einer neuen Beziehung. So wurde in den letzten zwei Jahren die Grunge-Göttin mit Dreadlocks abgelöst vom Hippiemädchen mit Münzgürtel, von einer Gothic-Braut in Lederklamotten und schließlich vom amerikanischen Popper-Girl mit gestärkter weißer Bluse unter figurbetonten Pullis und mit edlen dezenten Accessoires. Dieser letzte Look gefällt Asif recht gut, auch wegen der schicken Frisur, die sie anscheinend Wesley zu Ehren trägt, der aus New York kommt und an einer Elite-Uni studiert hat.
    Wesley tut, als hätte Asif das Kompliment an ihn gerichtet. »W as, mit diesem alten Teil?«, entgegnet er ironisch und deutet auf seinen Anzug.
    »Ich wäre dir dankbar, wenn du mich nicht als altes Teil bezeichnen würdest«, kontert Lila schnippisch, die wiederum so tut, als hätte Wesley sie gemeint. Sie setzt sich hin und nimmt ihr Samosa vom Couchtisch, wo Asif das Take-away-Essen aufgebaut hat. »Na, wie geht’s, Yas?«, fragt sie.
    »Gut«, antwortet Yasmin automatisch. Fasziniert bewundert sie Wesleys frisch rasierte Glatze. Wesley ist schwarz und wirkt mit seinem untrüglichen Instinkt für lässigen Chic und dem im Fitness-Center modellierten Körper auf eine leicht schwule Art sehr attraktiv. Wie würde sich dieser wohlgeformte Hinterkopf in ihren Händen anfühlen, wie wäre es, in diesen durchtrainierten Armen zu liegen, deren Haut wie geschmolzene Schokolade um Sehnen und Muskeln fließt? Würde sie sich geborgen fühlen wie als kleines Kind auf dem Schoß ihrer Mutter, oder würde sie sich gefangen fühlen, bedroht? Sie beneidet Lila, dass sie sich so widerstandslos umarmen lassen, sich körperlicher Liebe ohne irgendein Getue oder Hemmungen hingeben kann.
    »Na, worüber wolltest du mit uns reden? Über Leber- oder Streberwerte?«, fragt Lila, als sie Yasmin mit den Gedanken abschweifen sieht. Sie hat keine Lust, den ganzen Abend hier festzusitzen.
    »Leber- oder Streberwerte?«, wiederholt Yasmin verständnislos. Lila macht das immer, haut ihr Wortspiele um die Ohren, die sie anscheinend verstehen sollte.
    »Dein körperliches Befinden oder deine Noten«, erklärt Asif freundlich und wirft Lila einen leicht angesäuerten Seitenblick zu. »Hat es etwas mit deiner Therapie zu tun oder mit der Schule?«
    »Ach so, weder noch«, sagt Yasmin, überdenkt ihre Antwort aber noch einmal. »Oder mit beidem. Eigentlich mit allem. Allem, was mich betrifft.« Asif und Lila werfen sich einen kurzen Blick zu; solche vagen Aussagen sehen Yasmin gar nicht ähnlich.
    »Es geht um mich«, fährt sie fort. »Die wollen was nur über mich machen, aber jetzt haben sie gesagt, dass sie auch herkommen und mit euch beiden reden wollen. Die haben durch die Schulpsychologin von mir gehört.« Yasmin zieht ihren pinken Ordner hervor und reicht Asif ein zusammengeheftetes, maschinengeschriebenes Dokument. Asif liest es stirnrunzelnd durch und reicht es dann an Lila weiter, die es mit einem Achselzucken abwehrt; nachdem sie ihre vegetarischen Samosas zerlegt hat, glänzen ihre Finger vor
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