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Als ich lernte zu fliegen

Als ich lernte zu fliegen

Titel: Als ich lernte zu fliegen
Autoren: Roopa Farooki
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oberflächlich, wie ich bin.« Sie schweigt einen Moment und lässt sich seine Worte noch einmal durch den Kopf gehen. »Und wie findest du mich jetzt?«, fragt sie dann. »Die schönste Frau der Welt ist wohl tief gestürzt – es kann ja nur abwärtsgehen.«
    Als er in Mei Lins Augen sieht, in denen die Sonne leuchtet, gibt er sich keine Mühe mehr, seine ehrliche Meinung zu verbergen, auch auf die Gefahr hin, dass er sich blamiert. »Ich bin sehr froh, dass du dich als echte Frau aus Fleisch und Blut entpuppt hast. Ich bin ein richtiger Glückspilz!«
    »Und du entpuppst dich als viel zu aufrichtig, um charmant zu sein«, seufzt Mei Lin. Mit einem verschmitzten Lächeln fügt sie hinzu: »Ob du ein Glückspilz bist oder nicht, weiß ich nicht, aber mit Sicherheit wirst du gleich das Glück haben, von mir flachgelegt zu werden.« Sie beugt sich über ihn, küsst ihn leidenschaftlich und drückt ihn ins Gras. Asif spürt ihr beruhigendes Gewicht auf sich, erwidert ihren Kuss und fühlt sich wie im siebten Himmel. Und voller Hoffnung. Er hat das Gefühl, mit Mei Lin in den Armen weiß er alles, was es über die Welt zu wissen gibt. Da ist Mei Lins Rücken, der sich sanft in seine Arme schmiegt, der Seidenvorhang ihres Haars, der ihm ins Gesicht fällt, ihre volle Unterlippe, die sich weich auf die seine legt, ihre kleinen weißen Zähne, die glatt und scharf zugleich schmecken, ihre geschmeidigen, geschickten Hände, die ein Baby beruhigen und einen Mann davor retten können, in seinen eigenen Ängsten zu ertrinken. In diesem Augenblick, diesem vollkommenen Augenblick genügt, was er in den Armen hält.
    Er weiß, dass er wieder nach Hause gehen wird, dass damit seine Verantwortung, seine Ängste und seine Selbstzweifel zurückkehren werden, aber er weiß auch, dass er damit fertigwerden wird, irgendwie. Er wird einen Weg finden, weil er endlich selbst daran glaubt, dass er größer ist als die Summe seiner Sorgen. Er hat sich einen Glückspilz genannt, und jetzt ist er sicher, dass das auch stimmt. Er hat nicht nur Glück, weil er sich für das Leben entscheiden konnte, sondern auch, weil sich das Leben in einer aberwitzigen, wundersamen Wendung für ihn entschieden hat.

Das Haus verlassen
     
     
     

     

     
    Den Abend verbringt Lila damit, die Gerümpelhaufen, die ihre Wohnung in Finchley zumüllen, in Kartons zu packen. Ein Viertel ihres Wohnzimmers hat sich bereits in eine graue Teppichfläche verwandelt; die sechs ordentlich gestapelten Pappwürfel, die aussehen wie vergessene Bauklötzchen eines Riesenkinds, wirken darauf seltsam fremd. Es klingelt; Lila drückt auf den Summer, um Asif und Yasmin reinzulassen.
    »Hallo«, begrüßt sie Asif, gibt ihm ein Küsschen und hält hinter ihm Ausschau nach Yasmin. »Lass dich vom Chaos nicht stören, dir bleibt sowieso nichts anderes übrig.« Von Yasmin keine Spur, Lila sieht Asif fragend an. »Ich dachte, du hättest gesimst, wir gucken uns den Dokumentarfilm hier und nicht zu Hause an.«
    »Hab ich auch«, sagt Asif. »Ich hab Yasmin falsch verstanden. Sie hat mir eine SMS geschickt, als ich im Park war; ich dachte, sie wollte mit mir zusammen zu dir kommen. Aber sie möchte nur, dass wir beide, du und ich, uns den Film hier ansehen; sie selbst will ihn allein zu Hause sehen.« Er sieht wie üblich ein wenig besorgt aus. »Ist das komisch? Oder normal? Mir wäre es an ihrer Stelle wahrscheinlich auch peinlich, den Film mit anderen Leuten anzusehen, sogar mit der Familie. Aber Yas kennt normalerweise keine solchen Schamgefühle.«
    »Es ist schon ein bisschen komisch, aber was soll’s«, sagt Lila. »Ich fand es eher seltsam, dass sie zu mir wollte; normalerweise kriegt sie von meiner Wohnung Kopfschmerzen. Wir fahren einfach später zu ihr, ich muss ihr doch noch von meinen Neuigkeiten erzählen.« Mit gemischten Gefühlen betrachtet sie ihre Arbeit im Wohnzimmer, ihre Fortschritte bei der Verwandlung von Chaos in eine büromäßige, graubraune Ordnung, das Gegenteil von Kunst. »Möchtest du ein Glas Wein?«, bietet sie Asif an.
    »Ja, gern«, sagt Asif melancholisch. Er vermisst Mei Lin bereits; erst vor ein paar Stunden haben sie Wein und Küsse miteinander geteilt. »Komisch. Irgendwas stimmt da nicht. Vielleicht regt sich Yasmin auf, weil sie nun fast eine Berühmtheit ist. Die Fernsehleute haben nächste Woche für sie ein Radio-Interview organisiert, und sie hat es nicht abgelehnt, nicht ausdrücklich jedenfalls, sondern nur gesagt, es sei völlig
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