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Als ich lernte zu fliegen

Als ich lernte zu fliegen

Titel: Als ich lernte zu fliegen
Autoren: Roopa Farooki
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an den Schnürsenkeln seiner Sportschuhe zieht. »Da kaust du lieber nicht drauf rum, du Zwerg«, sagt Asif mit fester Stimme, »das ist nicht gut für dich.« Er trägt sie in den Schatten zurück und reicht ihr die bunte Plastikrassel, die sie gerade hat fallen lassen.
    »Ai-ji-ji-dah!«, beklagt sich Melody, beißt probehalber in den rasselnden Ring, schleudert ihn dann entschlossen von sich und rollt wieder aus dem Schatten heraus, diesmal in Richtung Picknickkorb. Sie strampelt mit ihren winzigen Füßchen dagegen und stimmt ein ausgelassenes Gekicher an; ihr »Ah-ha-ha-ha-lah!« klingt fast wie ein Lied.
    »Du machst deinem Namen alle Ehre, wie ich sehe«, sagt Asif zu Melody, hebt sie wieder auf, setzt sie diesmal auf seinen Schoß, wo sie nicht entkommen kann, und legt seine Hand um die tröstliche Rundung ihres festen Bäuchleins. Er wirft einen verstohlenen Blick zu Mei Lin hinüber, die mit einem anbetungswürdigen Stirnrunzeln auf ihren Laptop starrt. Sie hat eine Brille auf; bevor Asif mit ihr zusammen war, wusste er gar nicht, dass sie eine brauchte.
    »Findest du es nicht komisch, dass sie noch nicht krabbelt?«, fragt Mei Lin geistesabwesend. Sie hämmert etwas in die Tastatur und wirft dabei einen flüchtigen Blick zu Melody und Asif hinüber.
    »Krabbeln ist kein großer Entwicklungsschritt; manche Babys überspringen ihn und fangen gleich an zu laufen«, antwortet Asif. »W irklich kein Problem.«
    Mei Lin blickt von ihrer Arbeit hoch. »W oher weißt du das denn?«, fragt sie sichtlich beeindruckt.
    »Hab ich gelesen«, antwortet Asif bescheiden und kitzelt Melody an den Zehen, damit sie wieder kichert.
    »Hab ich dir schon erzählt, dass sie neulich im Supermarkt für einen Jungen gehalten wurde?«, fragt Mei Lin etwas zerstreut.
    »Erst zweimal, vielleicht aber auch schon drei- oder viermal«, zieht Asif sie auf. »Ach weißt du, das spielt doch überhaupt keine Rolle, solange sie so glücklich ist. Deshalb ist sie auch so schön. Deshalb, und weil sie geliebt wird.«
    Mei Lin sieht ihn dankbar an. »Du hast natürlich recht«, sagt sie. »W enn ich mit dir zusammen bin, komm ich mir manchmal ganz schön oberflächlich vor.« Nicht ganz ernst verkündet sie dann: »Aber ab sofort werde ich Melody ausschließlich in militantes Rosa kleiden, bis sie mehr Haare hat.« Sie wendet sich wieder ihrem Computer zu, bis sie endlich einen erleichterten Seufzer ausstößt. »Fertig«, verkündet sie, »jetzt hab ich den letzten Text korrigiert und muss nur noch die Änderungen an die Druckerei mailen.« Gewandt bearbeitet sie die Tastatur. Dann sieht sie bedauernd hoch und schiebt sich die Brille in die Haare. »T ut mir wirklich leid, es ist echt nervig, am Wochenende arbeiten zu müssen. Ich hätte gedacht, ich wäre fertig, bevor wir uns heute treffen, aber die Amerikaner haben ihre Entwürfe zu spät rübergeschickt.«
    »Mach dir keine Gedanken.« Asif verfrachtet Melody wieder in den Schatten und baut ein paar Polster um sie herum auf, damit sie nicht so leicht ausbüxen kann. »Ich freue mich sehr, dass du es überhaupt geschafft hast, in den Park zu kommen.«
    Mei Lin lächelt, beugt sich zu ihm und gibt ihm einen zarten Kuss auf die Lippen. »Mir blieb gar nichts anderes übrig«, sagt sie. »Ich wollte dich sehen.« Sie trinkt einen Schluck von dem gut gekühlten Wein, den Asif als kleine Aufmerksamkeit mitgebracht hat, zusammen mit einer Leckerei: in Schokolade getauchte Erdbeeren; wie man die macht, hat er in Collegezeiten gelernt. »Hmm, der Wein schmeckt köstlich. Schade, dass Yasmin nicht mitkommen wollte. Melody findet es toll, wenn Yasmin Schattentiere für sie macht.«
    »Yasmin ist es zu sonnig«, erklärt Asif. »Bei diesem Wetter geht sie nicht einmal in den Garten, wenn’s nicht sein muss. Heute will sie einfach zu Hause bleiben; sie hat ihr Zimmer kaum verlassen.« Beklommen fügt er hinzu, obwohl er sich eigentlich vorgenommen hatte, nicht darüber zu sprechen: »V orhin hat sie etwas Seltsames getan: Sie hat mir eine Liste gegeben, ein wahlloses Durcheinander von Dingen, für die sie mir danken möchte, viele Seiten lang; sie muss Stunden dafür gebraucht haben. Yas macht nichts ohne Grund, aber diesmal komme ich nicht dahinter. Ich finde es wirklich komisch.«
    »W enn du dir Sorgen machst, können wir zurück zu dir fahren«, schlägt Mei Lin einfühlsam vor.
    Asif schüttelt den Kopf. »Es ist schon in Ordnung. Ich kann ruhig mal eine Stunde weg; Yasmin sitzt sowieso nur in
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