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Als ich im Sterben lag (German Edition)

Als ich im Sterben lag (German Edition)

Titel: Als ich im Sterben lag (German Edition)
Autoren: William Faulkner
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Ohrenpaaren der Mulis läuft die Straße rückwärts, verschwindet wie in einem Tunnel unter dem Wagen, als wär sie ein Band und die Vorderachse eine Spule. «Weißt du, dass sie stirbt, Jewel?»
    Es braucht zwei Menschen, um einen zu machen, und einen, um zu sterben. So geht’s mit der Welt zu Ende.
    Ich habe zu Dewey Dell gesagt: «Du willst, dass sie stirbt, damit du in die Stadt kannst, ist es nicht so?» Sie wollte nicht sagen, was wir beide wussten. «Du willst es nicht sagen, denn wenn du es sagst, und sei es bloß zu dir selbst, dann weißt du, dass es wahr ist, ist es das? Aber du weißt jetzt, dass es wahr ist. Ich kann dir fast auf den Tag genau sagen, wann dir klar wurde, dass es wahr ist. Warum willst du es nicht sagen, nicht mal dir selbst?» Sie will’s nicht sagen. Sie sagt nur immer wieder: Hast du vor, es Pa zu sagen? Willst du ihn umbringen? «Du kannst nicht glauben, dass es wahr ist, weil du nicht glauben kannst, dass Dewey Dell, Dewey Dell Bundren, ein solches Pech haben kann, ist es nicht so?»
    Die Sonne, noch eine Stunde über dem Horizont, liegt wie ein blutrotes Ei auf einem Kamm sich türmender Gewitterwolken; das Licht ist jetzt kupferfarben, unheilvoll fürs Auge, schweflig für die Nase, nach Blitzschlag riechend. Wenn Peabody kommt, werden sie das Seil nehmen müssen. Er hat sich mit rohem Grünzeug den Bauch vollgestopft. Sie wollen ihn mit dem Seil den Weg raufhieven, wie ein Ballon wird er aufsteigen in der schwefligen Luft.
    «Jewel», sage ich. «Weißt du, dass Addie Bundren im Sterben liegt? Dass Addie Bundren stirbt?»

[zur Inhaltsübersicht]
    Peabody
    Als Anse schließlich von sich aus nach mir schickte, sagte ich: «Jetzt hat er sie endlich geschafft.» Und damit hatte ich verdammt recht; zuerst wollte ich nicht hin, denn womöglich konnte ich noch etwas tun, und dann müsste ich sie zurückholen, großer Gott. Ich dachte, vielleicht haben sie im Himmel die gleiche Narrenmoral wie an der Medizinischen Fakultät, und dass es Vernon Tull gewesen sein könnte, der mir Bescheid geben und mich im letzten Augenblick kommen ließ, wie Vernon solche Sachen immer macht, um Anse’ Geldbeutel zu schonen, so, wie er für seinen eigenen sorgt. Später am Tag aber, als ich die Wetterzeichen deuten konnte, wusste ich, dass niemand anderer als Anse selbst nach mir geschickt hatte. Nur ein vom Glück verlassener Mann kann auf die Idee kommen, dass er im Angesicht eines Zyklons einen Arzt braucht. Und ich wusste, wenn es Anse endlich selbst eingefallen war, dass ein Arzt kommen musste, war es schon zu spät.
    Als ich beim Brunnen ankomme und vom Wagen steige und das Gespann festmache, hat eine schwarze Wolkenwand wie ein kopflastiger Gebirgszug, wie eine Ladung Asche, die man da oben abgekippt hat, die Sonne verschluckt, und es ist ganz windstill. Auf der Fahrt hierher konnte ich Cash eine Meile weit sägen hören. Anse steht oben auf dem Hang, oberhalb des Wegs.
    «Wo ist das Pferd?», frage ich.
    «Jewel ist mit ihm weg», sagt er. «Niemand sonst wird mit ihm fertig. Fürchte, Sie müssen zu Fuß rauf.»
    «Ich, zu Fuß? Mit meinen zweihundertfünfundzwanzig Pfund zu Fuß diesen verdammten Hang rauf?», sage ich. Anse steht da, neben einem Baum. Dumm, dass der Herr den Fehler gemacht hat, den Bäumen Wurzeln zu geben und den Anse Bundrens Füße und Beine. Hätte er es umgekehrt gemacht, müsste man keine Sorge haben, dass dies Land eines Tages entwaldet ist. Und auch kein anderes Land. «Was hast du vor, was soll ich machen?», frage ich. «Hier stehen bleiben und mich aus dem County pusten lassen, wenn die Wolke da platzt?» Selbst mit dem Pferd würde es mich fünfzehn Minuten kosten, über die Koppel zu reiten, den Hang rauf bis zum Haus. Der Weg sieht aus wie ein krummer, gegen den Hang gewehter Ast. Anse ist seit zwölf Jahren nicht in der Stadt gewesen. Wie seine Mutter auch nur einmal dahingekommen ist, um ihn zur Welt zu bringen; er ist der Sohn seiner Mutter.
    «Vardaman holt das Seil», sagt er.
    Nach einer Weile kommt Vardaman mit der Pflugleine. Er gibt Anse das Ende in die Hand und kommt dann, das Seil entrollend, den Weg herunter.
    «Halt ja gut fest», sage ich. «Ich hab diese Visite schon in meine Bücher eingetragen, und ich berechne dir genau dasselbe, ob ich da raufkomme oder nicht.»
    «Ist klar», sagt Anse. «Sie können jetzt raufkommen.»
    Ich will verdammt sein, wenn ich verstehe, warum ich nicht einfach aufhöre. Ein Mann von siebzig Jahren, zweihundert und
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