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Als das Leben ueberraschend zu Besuch kam - Roman

Als das Leben ueberraschend zu Besuch kam - Roman

Titel: Als das Leben ueberraschend zu Besuch kam - Roman
Autoren: Caroline Vermalle
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Metallbeine mit einem schrillen Kreischen, das fast einem Schrei glich, über die Bodenfliesen gezogen wurden. Durch das geöffnete Fenster sah man den Garten – ruhig, farbenprächtig und schattig. Es hätte jedoch auch hier genug Dinge gegeben, um Jacquelines Stimmung aufzuheitern: die Blumenmotive der verblassten Keramikkacheln über der Spüle; die alten Holzrührlöffel in dem Marmeladenglas; der brummende Heißwasserkocher; vor allem aber Nanes graue, ehrliche, gütige Augen, die den Jahren und den Konformisten trotzten. Doch Jacqueline sah nur das, was fehlte: irgendetwas von sich selbst.
    »Magst du indischen Salat mit Meeresfrüchten?«, fragte Nane.
    »Indischen Salat?«, stammelte Jacqueline.
    »Aus diesen Meeresspinnen wollen wir keine Girlanden basteln. Sie kommen in den Salat. Du bleibst doch heute Abend zum Essen, jetzt, wo du schon einmal hier bist?«
    »Ich möchte dir keine Umstände machen.«
    »Aber nein. Jetzt erzähl doch mal, was dich hierhergeführt hat.«
    »Nun ja, hm ...«
    All die Worte, die Jacqueline sich seit zwei Tagen zurechtgelegt hatte, fielen ihr jetzt nicht mehr ein.
    »Ich wollte diese Gegend schon immer mal besuchen, und ich dachte, wenn ich sowieso hier vorbeikomme ...«
    Nane wandte sich mit einem Mal zu Arminda hinüber.
    »Ich dachte, du wolltest die hier einfrieren?«, fragte sie.
    Jacqueline drehte sich zu Arminda um. Sie hielt mit den Fingerspitzen eine lebende Meeresspinne fest. Das im Augenblick noch sandfarbene Tier krabbelte langsam über einen großen Kochtopf mit einem verbeulten Deckel, in dem braunes Wasser kochte.
    »Die ist für Jacqueline«, sagte Arminda. »Gut, dass ich vier genommen habe. Ich hab’s doch gleich gesagt.«
    Nane drehte sich wieder zu Jacqueline um, die zusah, wie die Meeresspinne die Beine anzog und dann in dem kochenden Wasser verschwand.
    »Du bist also hier vorbeigekommen, hm?«, fragte Nane Jacqueline nun. »Was für ein Zufall! Hier gibt’s nämlich nichts, was man sich ansehen könnte.«
    »Alle Leute haben mir gesagt, dass die Ile d’Yeu sehr schön ist, und da dachte ich ...«
    »Ah, verstehe, du könntest dir die Inseln mal anschauen. Das habe ich früher auch mal gemacht.«
    »Es ist wirklich sehr, sehr hübsch hier, diese ganzen blauen Fensterläden, das Meer, der Hafen mit dem Leuchtturm ...«, sagte Jacqueline.
    »Ah, der Leuchtturm, ja. Arminda, gib mir doch bitte die grüne Salatschüssel.«
    »Hm ...«, fuhr Jacqueline fort. »Du wohnst schön hier. Es ist ein reizender Ort. Außerdem ist es nicht weit bis Port-Joinville, wo es viele Geschäfte gibt ... Das ist praktisch.«
    »Sehr praktisch.«
    »Du kannst sogar mit dem Fahrrad fahren, nicht wahr?«
    »Du hast wirklich Glück, dass ich kein bisschen nachtragend bin«, sagte Nane im selben gleichgültigen Ton,während sie die Meeresfrüchte aufbrach. »Ich bin alt, aber ich bin noch bei klarem Verstand. Es war 54, im Mai 54, als du Le Gall geheiratet hast, und seitdem habe ich nichts mehr von dir gehört. Es ist ja nicht so, als hätte ich es nicht versucht. Hör zu, ich bin nicht der Typ, der dir jetzt eine Standpauke hält. Außerdem ist in der Zwischenzeit viel geschehen. Ich habe mir mein Leben eingerichtet, und es ist schade, dass du keine Rolle darin gespielt hast. Was soll’s, ich habe mich damit abgefunden. Aber du tauchst doch bestimmt nicht nach fünfzig Jahren wie aus heiterem Himmel hier auf, um mir zu der Farbe meiner Fensterläden zu gratulieren, oder?«
    Jacqueline lachte nervös, suchte nach den richtigen Worten, schaute auf den Tisch, sagte »nein, nein, ja, doch« und wäre am liebsten davongelaufen.
    »Und Le Gall, wo ist er?«, fragte Nane, ehe Jacqueline ihr eine vernünftige Antwort geben konnte.
    »Wie bitte?«
    »Dein Mann. Warum ist er nicht mitgekommen? Er ist doch wohl nicht gestorben. Nein, das hätte ich erfahren. Inseln sind wohl nicht sein Ding, oder besucht er eine andere?«
    »Nein, nein, er ist zu Hause, weißt du, Reisen ...«, murmelte Jacqueline. »Es ist alles in Ordnung.«
    »Ah, das ist ja wunderbar. Wir essen um halb neun, passt dir das?«
    Schweigend fuhren Nane und Arminda fort, die Beine der Meeresspinnen mit dem Hammer, den Zähnen und den Zangen zu bearbeiten. Nane warf Jacqueline, die ihre sauberen Finger nervös verbog und auf die Wachstuchdecke starrte, ein paar verstohlene Blicke zu. Nach einer Weile der Stille brach Arminda das Schweigen. »Es war eine gute Idee, gerade jetzt zu kommen. Sie haben für den Juni schönes
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