Alptraum-Sommer
war. Mit einer ruckartigen Bewegung befreite sie sich und sprang an der linken Seite zu Boden.
Bevor ich mich hochstemmen konnte, hatte sie schon eine gehörige Distanz zwischen uns gebracht.
Ich kam zu spät.
Sie huschte unter dem Geländer der Reling hindurch, stieß sich ab, dann war sie weg.
Ich hörte noch das Platschen, als die Alraune in den Fluß eintauchte.
Als ich an der Reling stand und auf die Wasserfläche starrte, entdeckte ich nur die Wellenringe, die sich allmählich ausbreiteten und schließlich verschwanden. Ich schüttelte den Kopf. Es wollte einfach nicht in mein Gehirn, daß diese Alraune plötzlich erschienen war.
Warum gerade zu uns auf das Boot?
Es gab nur eine Erklärung, und die hing mit Mandragoro zusammen. Er wußte, daß wir uns um den Fall kümmerten, und er hatte sie gewissermaßen als einen Warnung geschickt.
Nur dachte ich nicht im Traum daran, den Rückweg anzutreten. Wenn, dann wollte ich auch Klarheit haben, schließlich waren drei Männer verschwunden. Es lag auf der Hand, daß sie im Endeffekt auf Mandragoros Konto kamen.
Ich inspizierte noch einmal das gesamte Deck im Schein der Laterne. Es war nichts Verdächtiges zu sehen. Keine weitere Alraune hielt sich hier auf.
Am Niedergang blieb ich stehen und schaute zurück an das Ufer, wo nur noch in wenigen Häusern Licht brannte. Die meisten Einwohner des kleinen Ortes hatten sich längst zur Ruhe gelegt und schliefen dem nächsten Tag entgegen.
Mit eingezogenem Kopf überwand ich den Niedergang. Die Tür zur Kabine stand offen.
Suko lag in einer Koje und schlief. Er hatte sich die an der Backbordseite ausgesucht, ich nahm die an der Steuerbordseite. Beide benutzten wir die untere Ebene.
Die Luft hier unten war nicht gut. Um wenigstens etwas Frische hereinzulassen, öffnete ich eines der kleinen Fenster. Dann zog ich mich aus und legte mich hin. Ich trug keinen Schlaf-, sondern einen Jogginganzug.
Die Laterne löschte ich zuletzt.
Dunkelheit fiel über den Raum.
Ich hörte Sukos Atem, sonst nichts. Hin und wieder bewegte sich das Boot ein wenig, aber es war kaum zu merken.
Eigentlich hätte ich müde sein sollen, war es auch, konnte aber nicht einschlafen. Ich hatte den Eindruck, in einem Gefängnis zu liegen, dessen Mauern und Decke immer mehr auf mich zukamen, die Luft zusammendrückten und auch mein Atmen erschwerten.
Irgendwann schlief ich doch ein. Ich sackte einfach weg. Tief hinein in einen Tunnel, aus dem es kein Zurück gab…
***
Warum ich wieder erwachte, wußte ich nicht!
Ich wußte auch nicht, wieviel Zeit verstrichen war, denn ich hatte das Gefühl, gefesselt zu sein und mich nicht rühren zu können. Ausgestreckt lag ich auf dem Bett, umhüllt von einer dunstigen Glocke, die einen ungewöhnlichen Geruch ausströmte.
Konnte es daran liegen, daß es in der Kabine noch wärmer und feuchter geworden war?
Aber woher kam der Geruch? Es war schwierig, die Gedanken unter Kontrolle zu bekommen. In dieser Kabine waren wir nicht mehr allein, etwas anderes war noch hinzugekommen und hatte uns erwischt wie ein fremder unheimlicher Besuch.
Wer oder was?
Ich sah es nicht. Es war überhaupt nicht geläufig. Ich wußte nur, daß es vorhanden war und auf meiner Brust lastete wie ein pechschwarzer Alp.
Der Jogginganzug war durchgeschwitzt und klebte an meinem Körper.
Ich lag auf dem Rücken, die Augen jetzt offen, starrte gegen die Decke, die sich wie ein fahler, aschgrauer Himmel über mir abzeichnete, ohne Licht und Hoffnung.
Nirgendwo sah ich Licht.
Durch das Fenster kam die feuchte Luft und strich über mein Gesicht.
Dabei erinnerte sie mich an eine nässende Totenklaue, die sich für einen Moment auf meine Lippen preßte, bevor sie wieder verschwand.
Kopfschmerzen verspürte ich keine. Der Druck in meinem Schädel zeigte mir jedoch an, daß sich dies bald ändern würde. Ich konzentrierte mich auf meinen eigenen Herzschlag.
Er ging viel zu schwer.
Das Herz hatte Schwierigkeiten, das Blut durch die Adern zu pumpen.
Es schien dicker geworden zu sein.
Jeden Schlag registrierte ich als Echo in meinem Kopf. Dumpf und hallend. Da war jemand dabei, mit einem kleinen Hammer gegen die Innenseite der Schädeldecke zu schlagen.
Ich blieb ruhig liegen und versuchte, meine eigenen Sorgen zu vergessen, da ich mich auf Suko konzentrieren wollte.
Er schlief ruhig und fest, nur mich hatte es erwischt. Ja, ich lag auf dem Boot, ich lag in der Kabine, aber dümpelten wir noch immer am selben Ort?
Eine Antwort
Weitere Kostenlose Bücher