Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Alpha: Thriller (German Edition)

Alpha: Thriller (German Edition)

Titel: Alpha: Thriller (German Edition)
Autoren: J. T. Brannan
Vom Netzwerk:
betrachtet, der für die Bedürfnisse der Gegenwart keine Bedeutung hatte. Schon seit dem neunzehnten Jahrhundert wurden diese Techniken nicht mehr von einer Generation an die nächste weitergegeben, und doch besaßen einige der heiligen Männer der Lakota noch das Wissen um die alte Lebensweise.
    Diese Männer beobachteten die Natur und traten in Beziehung zu allen Aspekten der Welt – Tieren, Pflanzen und dem Land selbst. Und bei anscheinend mechanischen Tätigkeiten wie dem Fährtenlesen verließen sie sich nicht nur auf sichtbare Zeichen, sondern lauschten auch auf das, was die Welt ihnen über sich selbst erzählte.
    Nicht viele Menschen waren in der Lage, diese Verbindung zur Erde aufzunehmen oder eine solche spirituelle Einstimmung zu erlangen, aber der junge Adams hatte eine unglaubliche Fähigkeit gezeigt, die Lehren der Lakota-Ältesten umzusetzen. Dies hatte allerdings zu Problemen mit anderen Stammesmitgliedern geführt, die lautstark einwandten, einem Kind ohne Abstammung oder Vorfahren aus dem Stamm dürfe man einen solchen Unterricht nicht erteilen.
    Und so war trotz Big Bears Schutz Adams’ Leben nicht leicht. Nie konnte er dem Stigma seines Waisenstatus entkommen und musste ständig um das kämpfen, was die meisten umsonst bekamen. Doch dank seines unbezwingbaren Geistes wurde er der angesehenste Fährtenleser des Reservats, und Maddison und die heiligen Männer der Lakota verliehen ihm den Namen »Free Bear«, um zu zeigen, dass er sich von den Äußerlichkeiten der Abstammung befreit und sich allein durch Können und Willenskraft einen Namen gemacht hatte.
    Was Maddison und die Stammesältesten wohl jetzt von ihm gehalten hätten? Denn er würde gleich eine Touristengruppe auf eine Indianertour durch die Badlands führen. Doch als er mit den zwölf Touristen in die wunderbare Landschaft der Badlands hinausritt, dachte er nicht darüber nach, ob er Maddison enttäuschte.
    Stattdessen konnte er nur an Lynn denken.
    Die Tour dauerte vier Tage, während derer die Gruppe über Nacht kampierte. Abends versammelten sich alle um das Lagerfeuer, um über die Erlebnisse des Tages zu sprechen und zuzuhören, wie Adams Geschichten aus der Mythologie des Landes erzählte.
    Trotz der niedrigen Nachttemperaturen verbrachte Adams die Nächte im Freien, unter den Sternen. Ohne von Menschen erzeugtes Licht strahlten Millionen von ihnen hell, und während Adams an einer Tasse Brennnesseltee nippte, spürte er, wie sein Bewusstsein – sein Geist – den Kosmos zu durchstreifen begann.
    Aber dann drängten sich Gedanken dazwischen und holten ihn von seiner Astralreise ruckartig wieder auf die Erde hinunter. Lynn . Sie waren verliebt gewesen, verheiratet und dann geschieden – und jetzt würde er sie nie wiedersehen, bis er ebenfalls in die Geisterwelt aufstieg.
    Im Badlands-Nationalpark hatten sie sich kennengelernt, und Adams nahm noch einen Schluck aus der Tasse und erinnerte sich lächelnd.
    Damals, vor fast zwei Jahrzehnten, war er gerade zwanzig gewesen und hatte ein Gabelbock-Männchen über die grasbewachsene Ebene gejagt; ein einsames Tier, das von seiner Herde getrennt worden sein musste. Er hatte nicht vor, es zu töten; sein Ziel war es, sich dem Tier so weit zu nähern, wie er konnte, ohne dass es ihn bemerkte. Er wollte ihm nahe genug kommen, um es zu berühren. Das war die Kunst.
    Und so hatte er stundenlang auf der Lauer gelegen, das Tier meilenweit verfolgt und sich verstohlen immer näher angeschlichen. Er war gerade einmal drei Meter von dem herrlichen Tier entfernt gewesen, als er die beiden gespürt hatte.
    Zwei Personen. Zu Fuß unterwegs. Knapp über eine Meile entfernt, nordöstlich.
    Mit dem Ohr am Boden lauschte er genauer, mit aufs Äußerste geschärften Sinnen. Er betete, dass der große Gabelbock sie nicht auch wahrnahm.
    Immer näher rückte er an ihn heran – zweieinhalb Meter, zwei Meter, eineinhalb, einen halben. Das unbekannte Paar ließ sich jetzt lauter vernehmen, aber Adams war sich sicher, dass er die Hand ausstrecken und das Tier berühren konnte, bevor es sie hörte.
    »Sieh dir das an!«, hörte er eine junge Frau ausrufen.
    »Hol deine Kamera heraus!«, hörte er eine zweite, und das war genug – gerade als er den Arm ausstreckte, fuhr das Tier zusammen, wandte den Kopf in Richtung der hellen Stimmen, und dann setzte es sich in Bewegung und lief immer schneller über die Ebene davon.
    Seufzend blickte Adams auf. Sinnlos, sich zu ärgern. Was wussten Touristen schon?
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher