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Almas Baby

Almas Baby

Titel: Almas Baby
Autoren: Christina Fuessmann
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gegenüber und stießen mit den schweren Glaskrügen an. Für Alma würde der herbe Biergeschmack von nun an immer mit dem Gefühl von Geborgenheit verbunden bleiben. „Ich bewundere Menschen, die sich aus eigener Kraft aus dem Dreck ziehen“, hatte Berthold Behrend gesagt. Mehr nicht. Und damit schien alles in Ordnung. „Wollen wir uns nicht duzen? Ich weiß, ein Mann sollte nicht so aufdringlich sein, aber vielleicht haben Sie ja nichts dagegen. Ich finde, das klingt dann nicht mehr so steif.“
    Natürlich hatte sie nichts dagegen. Das war genau das, was sie wollte. Strahlend hob sie ihr Bierglas hoch und sagte: „Ich heiße Alma. Dass du Berthold bist, weiß ich ja inzwischen schon.“
    Vielleicht würde er ihr jetzt einen Kuss geben wollen. Das machte man doch so beim Brüderschafts-Trinken. Aber er stieß nur mit ihr an und meinte: „Alma ist ein seltener, aber besonders schöner Name.“
    „Na ja, eigentlich Alma-Margarete. Die Namen meiner beiden Großmütter. Als Kind haben sie mich Gretel genannt. Das musst du dir mal vorstellen, wie „Hänsel und Gretel verliefen sich im Wald.“ Dabei hatte ich mich doch gar nicht verlaufen. Also, für den Rest meines Lebens Gretel zu sein, wäre mir doch komisch vorgekommen.“
    „Zumal deine Kindheit doch bestimmt nicht märchenhaft war. Ich meine nur, wo du dich doch ins Rauschgift geflüchtet hast.“ Berthold wirkte etwas verlegen. So als sei ihm bewusst geworden, dass er möglicherweise zu weit gegangen sein könnte.
    Alma fasste sich kurz: „Nein,“ sagte sie. „Da war nichts Märchenhaftes in meinem Leben. Ich mag nicht daran denken. Nicht heute Abend. Lass uns von etwas anderem reden.“
    Und genau das taten sie. Ein Paar wie viele andere auf dem Fest an der Saarlandstraße. Alma kam es vor, als habe sie noch nie zuvor so viel gelacht. Es war schon spät in der Nacht, als sie vor ihrer Haustür standen. Sie zitterte ein wenig. Nicht vor Kälte. Das war vorbei. Es war die Aufregung. Würde er sich für immer verabschieden? Der Mond schien hell und versilberte das Laub der Platanen. Keine dunkle Wolke weit und breit. Alma warf wieder den Kopf in den Nacken und schaute diesmal zu den Sternen auf. Sie hatten fast alle Namen. Das wusste sie. Jedenfalls die, die man sehen konnte. Sie hatte sich nie für so etwas interessiert, aber plötzlich wünschte sie sich, sie wüsste wie sie hießen. Wenigsten einige Namen hätte sie gern gekannt. Es wäre so schön, sagen zu können: „Ah, sieh an, da ist er ja wieder, der Stern sowieso. Er hat auch geleuchtet, als ich mit Berthold auf dem Straßenfest war.“
    In diesem Augenblick drang Bertholds Stimme in ihren Traum: „Am besten, du gibst mir deine Telefonnummer, damit ich dich morgen wecken kann.“
    „Heute. Du meinst wohl heute,“ lachte Alma selig und klopfte mit ihrem rechten Zeigefinger auf das Zifferblatt ihrer Armbanduhr, deren Zeiger die Grenze zur Mitternacht bereits überschritten hatten. Glücklich schrieb sie die sechs Ziffern mit ihrem Kugelschreiber auf seinen Handrücken.
    „Hast du ein Fahrrad? Es ist Sonntag. Da mache ich normalerweise immer meine Radtour. Wir könnten von jetzt an doch zusammen …“
    Alma schüttelte den Kopf und erschrak sofort. Würde Berthold ihre Antwort falsch verstehen? Könnte er vielleicht meinen, sie wolle nicht mit ihm radeln? Aber seine Antwort kam ohne zu zögern:
    „Macht nichts, ich hab’ noch so eine alte Krücke im Keller. Mal sehen, ob ich die noch auf Vordermann bringen kann. Wir müssen ja nicht gleich Rekorde brechen.“
    Berthold hätte sich in dieser Nacht selbst nicht erklären können, was ihn an der eher unauffälligen Erscheinung so anzog. Jeans, T-Shirt, Turnschuhe. Das war’s. Das einzig Attraktive an ihr: Ihre rotblonde Lockenmähne. Als er sie auf dem Straßenfest versehentlich angerempelt hatte, starrten ihn ihre lichtblauen Augen aus einem bleichen Gesicht derart erschrocken an, als sei etwas geschehen, dass nicht wieder gut zu machen sei. Sie krallte ihre Finger in die Ärmelenden des T-Shirts und hob beide Fäuste vor den Mund, als wolle sie einen Schrei unterdrücken.
    Als er sich entschuldigte, lächelte sie ihn schüchtern an. Ein zierliches Persönchen. Anfang 20, schätzte er. Später, als sie seine Einladung zum Bier quasi als Wiedergutmachung angenommen hatte und sie gemeinsam zum Getränkestand schlenderten, erfuhr er, dass sie 24 Jahre alt war. Sie reichte dem 185-cm-Mann gerade bis zur Schulter und löste bei ihm automatisch
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