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Alltag auf arabisch: Nahaufnahmen von Kairo bis Bagdad (German Edition)

Alltag auf arabisch: Nahaufnahmen von Kairo bis Bagdad (German Edition)

Titel: Alltag auf arabisch: Nahaufnahmen von Kairo bis Bagdad (German Edition)
Autoren: Karim El-Gawhary
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Teile des Autos kaputt sind oder ganz fehlen. Die überwiegende Mehrheit der Fahrzeuge auf Bagdads Straßen darf man getrost als verkehrsgefährdenden Schrott bezeichnen.
    Falls es sich dabei um ein im Irak weit verbreitetes Modell amerikanischer Bauart handelt, sind die Besitzer zumeist Kunden der Autowerkstatt von Samir Abbas Kathim. Seinen richtigen Namen kennt allerdings kaum jemand, doch sein Nom de Guerre ist bis ins benachbarte Jordanien bekannt: Samir Malibu. Chevrolets des Typs Malibu sind seine Spezialität. Als er vor 20 Jahren in der gleichen Werkstatt begonnen hatte, sich für die schiffsartigen glitzernden Karossen zu interessieren, hatte er sich nicht träumen lassen, unter welchen Umständen er einmal seinem Handwerk nachgehen würde. Der Parkplatz seiner Werkstatt ist eine Ansammlung von amerikanischem Alteisen. Er habe noch nie ein Auto aufgegeben, erzählt der Mechaniker stolz, während er sich in seinen ölverschmierten Klamotten auf einem Hocker niederlässt und Tee schlürft.
    Samir Malibu gilt als Meister der Improvisation. Im Detail demonstriert er, wie er ein fehlendes Verbindungsstück zu einem Vergaser nachgebaut hat. „Bring mir das kaputteste amerikanische Auto, das du in Bagdad finden kannst, ich mache es wieder fahrtüchtig“, erklärt er siegessicher.
    Doch nicht immer nagt nur der Zahn der Zeit an des Irakers Lieblingsstück. „Früher konnte man das Auto nachts offen stehen lassen, aber inzwischen gibt es zu viele Ali Babas in der Stadt“, beschreibt ein Autobesitzer die prekäre Lage. War Diebstahl vor den UN-Sanktionen im Irak fast unbekannt, gelten heute krumme Finger als probates Mittel im täglichen Überlebenskampf. Er habe sein Auto nur abgestellt, um einzukaufen, aber als er eine Stunde später zurückkam, hätten beide Vorderreifen gefehlt, erzählt ein Taxifahrer.
    Jeden Freitag ist Ersatzteiltag. Auf einem Markt im Zentrum der Stadt finden Autobesitzer auf Hunderten Decken ausgebreitet alles, was sie brauchen, um ihren Wagen am Laufen zu halten. Von alten Vergasern, Benzinpumpen über Achsen und Stoßdämpfer ist alles zu haben. Suk Al-Haramiya – Markt der Diebe – wird dieser Umschlagplatz genannt. Wer etwa seine Rückleuchte vermisst, kann sie womöglich hier wieder zurückkaufen. Die Sanktionen haben der irakischen Ökonomie ihren eigenen Zyklus verliehen. Wenn keine neuen Ersatzteile hereinkommen, nimmt der Warenkreislauf eben ungewohnte Wege. Autobesitzer und Ali Babas sind in Bagdad in einer Schicksalsgemeinschaft verbunden.
    Nachtrag: Was ist eigentlich mit der Luxus- und Sportwagenflotte des Saddam-Sohnes Udai geschehen? Zusammen mit seinem Bruder Qusai wurde Udai bei einem Schusswechsel mit amerikanischen Soldaten im Juni 2003 erschossen. Ein Teil von Udais Limousinenerbe war in vier Lagerhäusern südlich von Bagdad versteckt, die nach dem Krieg angezündet wurden. Plünderer nahmen einige der Fahrzeuge mit. Einem Journalistenkollegen wurde kurz darauf in Bagdad für 3000 Dollar ein Rolls-Royce angeboten. Im Internet finden sich auch Fotos eines von einem Mob angezündeten Ferrari 550 Maranello, der Udai gehört haben soll. US-Truppen entdeckten seinen in Bagdad als „Rambo Lambo“ bekannten Lamborghini und benutzten ihn als Zielscheibe für großkalibrige Munition, ohne sich seiner Herkunft bewusst zu sein. Später, im Juli 2003, organisierte die US-Besatzungsverwaltung eine Auktion mit dem verbliebenen Besitz Udais. Im 18-seitigen Auktionskatalog finden sich 193 Gehstöcke, von denen sich die Hälfte zu einem Schwert oder einem Gewehr umwandeln ließ, und 4002 Flaschen edle Weine und Schnaps. Autos waren zu diesem Zeitpunkt keine mehr dabei.
    Kairoer „Woche des Verkehrs“
    (Kairo, den 5. Dezember 1993)
    „Es reicht“, beschloss die Kairoer Verkehrsverwaltung. Und nun schlagen Tausende von Verkehrspolizisten eifrig zurück. Schon seit Jahren versuchen sie frustriert und hilflos sämtliche Verkehrsbewegungen der Stadt in den Griff zu bekommen. Nicht gerade einfacher wird diese Sisyphus-Aufgabe durch die Tatsache, dass die meisten Ägypter ein gesundes Verhältnis zur Autorität von Polizeiuniformen besitzen.
    „Woche des Verkehrs“ heißt die breit angekündigte Operation, mit der zum Generalangriff gegen alle unverbesserlichen Verkehrssünder in der Nilmetropole geblasen wird. Zur Kasse gebeten werden all jene, die nach etabliertem Gewohnheitsrecht beharrlich die Straßen Kairos unsicher machen. Für viele ist es nicht so ohne Weiteres
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