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Alltag auf arabisch: Nahaufnahmen von Kairo bis Bagdad (German Edition)

Alltag auf arabisch: Nahaufnahmen von Kairo bis Bagdad (German Edition)

Titel: Alltag auf arabisch: Nahaufnahmen von Kairo bis Bagdad (German Edition)
Autoren: Karim El-Gawhary
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Dazu kommen etwaige Gerichtskosten, für den Fall, dass sich die Mitarbeiter der Agentur nicht so ohne Weiteres aus der Affäre ziehen können.
    Bezahlt wird dabei eine Expertise ganz besonderer Art. Die Mutter der scharfen Zunge, die, wie sie selber sagt, früher als Taschendiebin tätig war, hat sich schon damals als gute Fighterin angepriesen. Am Anfang stellte sie nur ihren Freunden und der Nachbarschaft ihre speziellen Fähigkeiten zur Verfügung. Später ging sie dazu über, einen Vorschuss zu verlangen und sich den Rest nach vollbrachter Leistung auszahlen zu lassen.
    Mit Fatima Sewifi, Künstlername „Fatima die Amazone“, hat sie sich auch eine äußerst gut qualifizierte Partnerin an Land gezogen. Deren besondere Fähigkeiten: Sie ist Meisterin im Haareziehen und hat auch ansonsten akrobatische Kampfqualitäten, die denen von Laura Croft in nichts nachstehen. Umm Naseh – Mutter der routinierten Verschlagenheit – gehört ebenfalls zum inneren Stab der Agentur. Ihr Wortschatz gleicht einem Lexikon der dreckigsten Ausdrücke, die selbst Kennern der Materie die Luft nehmen. Umm Buqqu selbst ist eine meisterhafte Trommlerin, die die Performance der Frauen meist rhythmisch begleitet, wozu sie einige Reime gedichtet hat.
    Aufgeflogen ist das Ganze, als ein kleines Mädchen über die Existenz der geheimen Agentur plauderte. Ihr Vater hatte die Frauen angestellt, um der Lehrerin seiner Tochter, deren Erziehungsmethoden nicht gerade als zimperlich gelten, einmal alles so richtig heimzuzahlen.
    Die Behörden gehen dem Fall nun nach. Doch das ägyptische Gesetz weist in solchen Fällen Lücken auf. Mehr als die Hälfte des Entgelts für einen Schimpfeinsatz der niedrigsten Kategorie werden die Frauen für ihre Aktion gegen die unbeliebte Lehrerin wohl nicht als Strafgeld blechen müssen.

Verkehr als überwältigende Naturgewalt
    Mit dem Totengott Anubis auf dem Beifahrersitz – Autofahren in der arabischen Welt
    Im Leben eines gewöhnlichen Verkehrsteilnehmers in Kairo gibt es Dinge, die lassen sich weder in die Worte einer Straßenverkehrsordnung fassen noch als Road Movie verfilmen. So erweist sich schon die Fahrt vom Flughafen zum Hotel für jeden, der die ägyptische Hauptstadt das erste Mal besucht, als größter aller noch kommenden Kulturschocks. Da ist stets der erste ungläubige Blick durch die Heckscheibe, wenn der Fahrer, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken, die erste rote Attrappenampel überfährt. Es folgen Adrenalinstöße, wenn im Gewühl mit haarscharfen Manövern um den besten Platz gekämpft wird, nach dem Motto: Liegt der Kotflügel um Zentimeter vorn, hat man gewonnen. Und dann liegt das Hotel möglicherweise noch in einer Einbahnstraße und ist viel günstiger gegen die Fahrtrichtung zu erreichen.
    Verkehr in Kairo, das ist eine turbulente Mischung aus sportlicher Missachtung grundlegender Verkehrsregeln, einer korrupten Verkehrspolizei, einer Ansammlung von Fahrzeugen, die das Prädikat „verkehrstauglich“ schon seit Jahrzehnten verloren haben, und natürlich der obligatorischen Hupe. Die Benutzung des letzteren Gerätes gilt weniger der Warnung vor Gefahr als der Aufmerksamkeitserheischung. Will heißen: Hallo, lieber Fahrnachbar – hier bin ich.
    Doch nicht nur für Fahrer, auch für Fußgänger hält Kairo Überraschungen bereit. Hier ein Tipp für die Frage aller Fragen von Kairo-Neulingen. Wie überquere ich eine Straße, deren Strom nie abreißt? Jeden Morgen auf dem Weg ins Büro sehe ich sie: jene bemitleidenswerten ausländischen Geschöpfe, die sehnsüchtig und voller Todesangst auf das ägyptische Nationalmuseum auf der anderen Straßenseite blicken. Zwischen ihnen und den altägyptischen Artefakten liegt eine von Kairos belebtesten Hauptverkehrsstraßen. Zwar wollen sie den pharaonischen Jenseitskult in Form von Mumien studieren, wollen aber nicht selbst schon vorher dem Totengott Anubis die Hand schütteln. Zunächst gilt: Wer auf eine Lücke wartet, kommt nie vom Fleck. Stattdessen langsam, aber bestimmt über die Fahrbahn schreiten. Jedes Zögern und jede Rückwärtsbewegung könnte fatale Folgen haben. Dabei immer das Weiße im Auge des Fahrers des nächsten Fahrzeuges fest im Blick behalten. Direkter europäisch-arabischer Blickkontakt kann Leben retten.
    Aber das sind Bagatellen, die nur An- und Zugereiste beschäftigen. Die Kairoer haben mit Problemen ganz anderen Ausmaßes zu kämpfen. Jedes Jahr bricht erneut eine Diskussion über die altbekannte Frage aus,
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