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Allmählich wird es Tag: Roman (German Edition)

Allmählich wird es Tag: Roman (German Edition)

Titel: Allmählich wird es Tag: Roman (German Edition)
Autoren: Franka Potente
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leer. Ratlos stand er da.
    Der Gedanke, ins Auto zu steigen, um in einem der großen Supermärkte einzukaufen, erschöpfte ihn. Es gab einen Cornerstore, einige Straßen weiter. Er war seit Jahren nicht dort gewesen.
    Er griff sich die dunkelblaue Baseballkappe mit dem Wappen seines Golfclubs von der Ablage, zog die Schuhe wieder an und trat in Unterhemd und Anzughose vor die Tür.
    Gleißendes Sonnenlicht. Stehende Hitze, die den Asphalt in Pfützen zu verwandeln schien.
    Er wandte sich nach rechts und hielt an der nächsten Ecke inne. Auf der anderen Straßenseite standen zwei Häuser zum Verkauf. »For Sale«-Schilder steckten im Gras. Zu verkaufen, wie so viele.
    Einige der Gärten wirkten verwildert. Man sparte an Gärtnern. Statt Ford Explorern und großen SUV s parkten überall kleinere Autos. Die Rezession war sichtbar.
    Eine Frau mit Hund ging vorbei. Sie trug eine riesige Sonnenbrille und einen türkisfarbenen Jogginganzug. Als sie die Hand zum Gruß hob, bemerkte er lange pinke Plastiknägel. Vielleicht eine Nachbarin.
    Der Hund hockte mitten auf dem Gehsteig. Die pinken Krallen fischten den Haufen eilig mit einem Plastiktütchen auf. Angeekelt sah er weg. Tiere waren nicht seins. Plastiknägel auch nicht.
    Und plötzlich stand er vor Heffners Einfahrt. Ehemaliger Einfahrt.
    Wann waren Heffners ausgezogen? Vor drei Jahren? Vier? Er konnte sich nicht erinnern.
    Wenn er von der Arbeit kam, fuhr er von der anderen Seite heran, sodass er Heffners Haus, obwohl es kaum einen Block von ihrem entfernt lag, nie zu Gesicht bekam.
    Man hatte sich aus den Augen verloren. Wie das eben so ist, wenn die Kinder erwachsen werden. Oder?
    Mein Gott, sie waren so gut befreundet gewesen. Ein Wochenende hatten sie mit Ehefrauen in Carmel verbracht. An den Wochenenden Golf. Zigarren auf Heffners Terrasse.
    Wohin waren die Heffners gezogen? Es musste mindestens drei Jahre her sein. Er sah Peters sonnengebräuntes Gesicht vor seinem inneren Auge. Lachend. Im rot karierten Flanellhemd. Er würde ihn anrufen. Später. Auch wenn es ewig her war, dass sie gesprochen hatten, er war sich sicher, dass Peter sich freuen würde, von ihm zu hören.
    Er rieb sich den Nacken. Die Sonne brannte auf der Haut.
    Manchmal waren Peter und er auch zusammen fischen gegangen. Heffners besaßen ein kleines Boot in Marina del Rey.
    Irgendwann hatte es einen Streit gegeben. Daran erinnerte er sich noch.
    Der Store war kleiner, als er ihn in Erinnerung hatte. Es roch nach Kohl. Hinter der Ladentheke saß ein alter Chinese. Er verfolgte ein Baseballspiel im Radio. Tim sah sich um. Vollgestopfte Regale. Enge. Er musste sich seitlich an den Waren vorbeischieben. Vorsichtig bewegte er sich durch die schmalen Gänge. Chipstüten, Klopapier, in Plastik verpackte Kuchen.
    Er griff sich einen der kleinen Metallkörbe. Klebriger Griff.
    »Ganz schön heiß, was, Mister?« Der Chinese lächelte.
    Tim nahm ein Sixpack Heineken aus dem Kühlregal. Zwei Fertigsuppen, Klopapier, zwei Tüten Chips. Als er zahlte, bemerkte er den kleinen Ventilator hinter der Kasse.
    »Stimmt so.«
    Er ließ sich kein Wechselgeld herausgeben. Der Mann tat ihm leid. Im Alter sollte jeder Aircondition haben.
    Noch im Hinausgehen riss er eine Chipstüte auf. Salz und Paprikapulver brannten auf der Zunge. Der Geschmack von Collegepartys und Kinobesuchen.
    Liz hatte immer gesund eingekauft. Auf dem Farmers Market oder im Bioladen.
    Er trat auf den Gehsteig. Einige Wolken hatten sich vor die Sonne geschoben. Es wurde angenehm kühler. Er war nass geschwitzt. Enge strengte ihn an.
    An der nächsten Ecke hatte er die Chipstüte zur Hälfte geleert. Im Vorbeigehen bemerkte er die Frau im parkenden Auto. Ihre Schultern zuckten, und sie bedeckte ihr Gesicht mit einer Hand.
    Heffners Einfahrt.
    Er machte kehrt und ging zurück. Sanft klopfte er an die Scheibe. Die junge Frau sah verheult aus. Eine schwarze Strähne klebte ihr in der Stirn. Mascara war die linke Wange hinuntergelaufen. Grüne Augen, langes schwarzes Haar. Hübsch. Olivfarbenes, üppiges Dekolleté, Goldkette und eine tätowierte Rose.
    »Willst du?«
    Er hielt ihr die Chipstüte hin. Sie strich sich das Haar aus der Stirn und wischte sich über die Wange.
    »Nein, danke.«
    Raue Stimme, bockig, Akzent, vielleicht Puerto-Ricanerin. Sie zündete sich eine Zigarette an, blies den Rauch in seine Richtung.
    »Ich nehm auch eine.« Er hatte vor zehn Jahren aufgehört. Jetzt hatte er Lust. Er brauchte eine Zigarette.
    Die grünen Augen
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