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Alles, was ist: Roman (German Edition)

Alles, was ist: Roman (German Edition)

Titel: Alles, was ist: Roman (German Edition)
Autoren: James Salter
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Ankunft am Kennedy Airport abgeholt. Sie saßen angespannt und schweigend nebeneinander im Taxi. Christine schäumte vor Wut. Nicht, dass sie ihre Tochter für unschuldig hielt, obwohl sie es wohl irgendwie tat. Sie hätte sich einfach niemals etwas so Widerliches vorstellen können, wie dass Anet mit ihrem früheren Freund schlief. Schließlich sagte sie:
    »Also. Was ist passiert? Ich weiß, was passiert ist, aber ich will, dass du es mir sagst.«
    »Ich möchte jetzt gerade nicht«, sagte Anet mit gedämpfter Stimme.
    »Wessen Idee war es, nach Paris zu fahren? War das deine Idee?«
    Anet antwortete nicht.
    »Wie lange lief das Ganze schon?«, sagte Christine.
    »Gar nichts lief.«
    »Gar nichts? Und das soll ich dir glauben?«
    »Ja.«
    »Also. Wie kam es, dass er dich da hat sitzenlassen? Was war der Grund?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Du weißt es nicht? Ich aber.«
    Anet schwieg.
    »Er wollte dir zeigen, was für eine kleine Hure du bist. Wirklich schwer hast du es ihm ja nicht gemacht. Du weißt, dass er dreißig Jahre älter ist? Was hat er getan? Gesagt, er liebt dich?«
    »Nein.«
    »Nein. Weiß sonst noch jemand davon?«
    Anet schüttelte den Kopf. Sie begann zu weinen.
    »Du bist so dumm«, sagte Christine. »Ein dummes, kleines Mädchen.«
    Das war sechs Jahre her, und jetzt kam ihr Vater herein und fragte, ob sie fertig sei. Er führte sie zum Altar, er brachte sie in den Garten hinaus. Während sie nebeneinander warteten, wurde das Streichquartett leiser und wich den vertrauten Anfangsakkorden des Hochzeitsmarschs. Alle Köpfe drehten sich nach hinten, während Anet, zauberhaft in Weiß, am Arm ihres Vaters aus dem Haus kam. Ein Ausdruck von Ruhe und Freude lag auf ihrem Gesicht, obwohl sie merkte, dass ihre Lippen zitterten. Sie senkte den Kopf für einen Moment, um sich zu fassen. Ihr zukünftiger Mann lächelte, als sie auf ihn zuschritt, Sophie lächelte, alle eigentlich.
    In dem Moment der Trauung, als es zu den Kronen kam, die wie aus Tuch gewebt schienen und mit Bändern verziert, sagte der Pfarrer:
    »Herr, unser Gott, mit Herrlichkeit und Ehre kröne sie.«
    Sie setzten sie sich auf, dann tauschten sie sie untereinander, das Gleiche mit den Ringen, drei Mal, von der Braut zum Bräutigam und vom Bräutigam zur Braut, um das Verweben ihrer Leben zu symbolisieren, während alle in gespannter Stille zusahen. Zum Schluss tranken sie als Mann und Frau gemeinsam aus einem Becher Wein. Es folgten Applaus, Glückwünsche und Umarmungen, bevor die Gesellschaft ins Haus ging, wo Champagner und ein Buffet auf sie warteten.

31. Ohne Ende
    Er hatte sie mehr oder weniger aus einem Impuls heraus gefragt, ob sie ihn zum Essen mit Kenneth Wells und seiner Frau begleiten wolle, beide kannte sie nicht. Sie waren für ein paar Tage in New York, um über sein neues Buch zu sprechen und der Langeweile auf dem Land zu entfliehen. Es schien eine gute Gelegenheit.
    »Hast du sie mal kennengelernt?«, sagte Bowman. »Ich denke, du wirst sie mögen.«
    Er hatte nicht verbergen können, dass er sich seit einiger Zeit zu Ann hingezogen fühlte, er war sich nur nicht sicher, wie sehr. Allerdings wollte er keine Liebschaft, keine kleine Episode. Ihre Arbeit war zu eng miteinander verbunden, es wäre etwas plump, wie er fand. Und doch, da war sie, in hohen Schuhen und ihrer ruhigen Art, und erlaubte ihm, sich Gedanken über sie zu machen.
    Sie erschien an dem Abend im Restaurant in einer schwarzen Hose und weißen Rüschenbluse, und Wells erhob sich wie ein gehorsamer Schuljunge, als sie an ihren Tisch kam.
    »Ich liebe Ihre Bücher«, sagte sie.
    Michelle Wells trank ein Glas Wein. Wells nahm einen Bourbon Old Fashioned.
    »Was ist das?«, fragte Ann.
    Er beschrieb ihn kurz.
    »Mein Vater hat ihn immer getrunken«, erklärte er.
    »Ich probier auch einen.«
    »Aber trinken Sie ihn auch?«, sagte er vergnügt.
    »Na ja, das ist das erste Mal.«
    »Das hab ich ja schon lange nicht mehr gehört«, sagte Wells. »Tatsächlich ist mein Vater mit einem Scotch in der Hand gestorben. Er hatte kurz zuvor einen Herzinfarkt gehabt, und eines Abends wollte er etwas trinken. Er wollte einen Scotch mit ein wenig Wasser und fragte die Schwester, ob sie einen mit ihm trinken würde. Sie nippten an ihren Gläsern und redeten ein bisschen, und als er ausgetrunken hatte, sagte mein Vater: Wie wär’s mit einem auf den Weg? Sie schenkte ihm ein, und er nahm einen Schluck und starb.«
    Wells wurde durch die Gegenwart einer anderen Frau
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