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Alles paletti

Titel: Alles paletti
Autoren: Assaf Gavron
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haben. Ich mach ihn erst auf, wenn wir ein ganzes Stück weit weg sind.« Nur ein einziges Mal in den sechseinhalb Jahren, die Jonsy im Umzugsgeschäft arbeitet,
war der Umschlag leer. Vielleicht, weil Jonsy ein paar Minuten vor Überreichung des Umschlags dem Kunden durch ein Missgeschick ein paar Sachen ruiniert hatte. »Obwohl das nicht meine Schuld war«, betonte Jonsy nachher. »Das hätte er echt berücksichtigen können.«
    Schlomi öffnet den Umschlag. Es sind eine Menge Zehn-Dollar-Scheine drin. »Izzi hat sich getäuscht«, sagt er und zählt das Geld. Hundertfünfzig Dollar insgesamt. Izzi sagt: »Was für ein King, dieser Joachim.« Jonsy flucht: »Arschloch, weniger als zwanzig Prozent, für was hält der uns, Pizzaboys?« Er ist nicht zufrieden, wenn der Kunde beschließt, weniger als den Betrag springen zu lassen, den er ihm nahegelegt hat.
    Sie fahren die Avenue bei grüner Welle hinunter, doch in Richtung Midtown verdichtet sich der Verkehr und gerät ins Stocken. Schlomi kaut ungeduldig auf seinem Kaugummi, Jonsy kürzt über den Park zum Broadway ab und fährt weiter hinunter, bis man die Monitore von NBC am Times Square sieht - mit dem Wetter, den Nachrichten und den Börsenkursen -, und ein paar Minuten später parkt der Lastwagen auch schon in der 39. Straße, und sie gehen zum Büro von Sababa Moving and Storag’e hinauf, das zugleich die Wohnung von Jonsy und Izzi und noch ein paar anderen ist.

DAS STRICHLEIN HINTER DEM G
    Izzis letzter Tag in Nazareth war der Valentinstag, der Tag der Liebe. Daphna bemühte sich den ganzen Abend, ihr trauriges Gesicht zu verbergen. Am nächsten Morgen flog Izzi.

    Er war zum ersten Mal in New York. Als er an der 42. Straße aus der U-Bahn kam, mit einem riesigen Koffer, roch er den Kaffee, spürte die beißende Winterkälte, sah die gelben Taxis auf den langen Avenuen, die Dämpfe, die aus den Eisendeckeln auf der Straße stiegen. Er sagte sich, ich glaub’s nicht, das ist genau wie in den Filmen.
    Ein Freund in Israel hatte ihm Chaim Galils Nummer gegeben. Schon von Nazareth aus hatte er Chaim angerufen und zwei Minuten mit ihm geredet. Chaim hatte gesagt: »Komm her.« Und da war er nun. Zwei Männer schoben einen Kleiderständer in einen Laden hinein, ein Betrunkener predigte von Jesus, zwei Frauen schrien auf Spanisch. Es fehlten nur noch eine Gruppe Schwarzer, die um einen riesigen Ghettoblaster herumtanzen, und zwei Polizisten in Blau, um das Klischee zu vervollständigen. Innerhalb der nächsten Tage begegnete er auch diesen öfter, als er überhaupt merkte.
     
    39. Straße, drei Blocks vom Times Square, zwischen der siebten und achten Avenue. Das Büro der Firma Sababa Moving and Storag’e dient auch als Wohnung für einen Teil der Belegschaft der Firma, obwohl die Gebäude in dieser Gegend nicht zu Wohnzwecken bestimmt sind. Unter dem Büro gibt es eine Postsortierstelle, wo pausenlos Lastwagen ein- und ausfahren, gegenüber Textilgeschäfte. Der Lärm reißt den ganzen Vormittag nicht ab. Auch wenn man die Fenster schließt und die Musik auf volle Lautstärke dreht, spürt man den Straßenverkehr unter den Füßen vibrieren. Neben dem Eingang gibt es einen Bagelladen von Juden und im ersten Stock ein Schild von Madame Cristal, »Kartenleserin, Publikumsverkehr die ganze Woche«, aber niemand hat Madame Cristal je gesehen. Es ist nicht gerade der schönste Ort in Manhattan, aber der
Teil der siebten Avenue zwischen der 38. und 39. Straße heißt immerhin Golda-Meir-Avenue.
    Seit Izzis Ankunft sind schon sechs Wochen vergangen, kaum zu glauben.
    Die Bewohnerzahl in der Wohnung wechselt fast täglich, je nach Umzugsaufträgen. Das große Zimmer gehört Jonsy und Chen - der dienstälteste Vormann in der Firma und die Sekretärin im Büro. Der kleine Raum ist das Büro von Sababa Moving and Storag’e. In diesem Raum wohnt Ohed, der einmal bei Sababa angestellt war und jetzt im Marketing bei Schleppers arbeitet, einer der großen Transportgesellschaften. Izzi hat kein eigenes Zimmer, er schläft auf einer Matratze im Wohnzimmer. »Der ganze Salon steht dir zur Verfügung«, sagte Chaim zu ihm bei seiner Ankunft. Wenn Izzi eine Langstreckentour macht, schläft jemand anders auf seiner Matratze.
    Sababa Moving and Storag’e hat genau einen Lastwagen, und das letzte Wort, das draufsteht, ist mit Apostroph hinter dem g geschrieben, also Storag’e, als wäre es ein Gimel mit Apostroph, ein dsch im Hebräischen. Dieser Fehler, für den Chaim seine
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