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Alles öko!: Ein Jahr im Selbstversuch (German Edition)

Alles öko!: Ein Jahr im Selbstversuch (German Edition)

Titel: Alles öko!: Ein Jahr im Selbstversuch (German Edition)
Autoren: Colin Beavan
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obendrein stand ich am Tag eins in Unterhosen im Badezimmer, blinzelte in die rötliche Morgendämmerung und griff nach dem Klopapier (das ich immer lieber genommen habe als die dünnen Kleenex), weil ich mir dringend die Nase putzen musste, und dann ging mir plötzlich auf, dass ich das Klopapier nicht mehr benutzen durfte.
    Denn heute war der erste Tag meines Selbstversuchs in Sachen umweltverträglicher Lebensstil. Der Tag, der mir das Gefühl geben sollte, nicht mehr zur Zerstörung unseres Planeten beizutragen. Der Tag, an dem ich mit der vermeintlich leichten Aufgabe beginnen sollte, keinen Müll mehr zu produzieren. Und somit auch kein Klopapier verwenden durfte, um mir die Nase zu putzen.
    Aber was sollte ich jetzt tun, wo ich einen Decknamen angenommen hatte, der aus mir eine Art ökologischenSuperheld machte? Wo ich – aus freien Stücken – in einem von allen Seiten einsehbaren Versuchslabor lebte, in dem mich für die nächsten verdammten 364 Tage, 23 Stunden und 50 Minuten jeder beobachten und beurteilen konnte, wie gewissenhaft ich mein öffentlich bekanntes Ziel verfolgte, der Umwelt keinen Schaden zuzufügen?
    Was hätte jeder andere in dieser Situation getan?
    Ich griff nach der Klopapierrolle, riss ein Stück ab, putzte mir die Nase, erkannte, in was für einen Schlamassel ich mich mit diesem Projekt gebracht hatte, fühlte mich deprimiert, bevor ich überhaupt richtig wach war, machte kehrt und schlurfte zurück ins Schlafzimmer. Isabella stand bereits in ihrem Bettchen, griff mit den Händen in die Luft und sagte: »Arm, Daddy, Arm!«
    Und sofort fingen die Selbstvorwürfe an: Ich bin selbstsüchtig. Ich habe mir mit einem toten Baum die Nase geputzt. Und Gott hat mich bestraft, indem er dafür gesorgt hat, dass Isabella von meinem Trompeten aufwacht und jetzt auf meinem Kopf herumhüpfen wird.
     
    Bereits zehn Minuten nach Beginn des Projekts wurde mir klar, dass es einen guten Grund dafür gab, weshalb ich mein Leben nie dahingehend verändert hatte, dass es meinen Prinzipien entsprach.
    Es würde hart werden. Und ich würde gelegentlich scheitern. Es ist wesentlich leichter zu
sagen
, dass man keine Wegwerfprodukte aus Papier benutzen soll, als es tatsächlich nicht zu tun. Und dasselbe gilt auch auf einer höheren Ebene. Es ist sehr viel einfacher zu sagen, dass unsere Kultur mehr auf Nachhaltigkeit bedacht sein sollte, als dafür zu sorgen, dass sie es tatsächlich ist. Es wäre vielleicht auch einfacher zu verstehen, welche Herausforderungen es für unsere Kultur bedeutet, unsere wachsenden ökologischen Probleme zu lösen, wenn ich diese Kultur nicht ablehnen würde. Doch es sollte noch eine ganze Weile dauern, bis diese Erkenntnisse durchsickerten.
    Aber ich greife vor. An jenem ersten Tag war ich noch davonüberzeugt, dass ich den größten Teil des nun folgenden Jahres damit zubringen würde, gegen meine Bedürfnisse anzukämpfen und herauszufinden, wie ich sie unterdrücken konnte, um moralisch unanfechtbar zu sein.
    Ich hob Isabella hoch, trug sie zu unserem Bett und legte mich hin, in der Hoffnung, sie würde dasselbe tun. Irrtum. Wie befürchtet, setzte sich Isabella mit ihrem bewindelten Hintern auf mein Gesicht und begann jauchzend auf und ab zu wippen wie ein Presslufthammer.
     
    »Papiertüte oder Plastik?« Ein paar Tage bevor ich mein eigentliches Projekt begann, stand ich in dem kleinen, bis unter die Decke vollgestopften Bioladen an der West Thirteenth Street an der Kasse. Während ich meine Waren auf den Tresen legte, sah die junge Frau mit den Dreadlocks, die dahinter stand, mich erwartungsvoll an.
    Diese Papier-oder-Plastik-Frage verfolgt mich, seit meine Mutter mich als Kind zum ersten Mal einkaufen geschickt hatte. Ich antwortete mit einer Gegenfrage: »Was ist denn besser?«
    »Na ja, Papier reißt schneller«, erwiderte die Dreadlock-Frau.
    »Das meine ich nicht«, sagte ich. »Was ist besser für die Umwelt?«
    Sie zuckte die Achseln. »Angeblich tut sich das nichts. Aber ich finde Plastik besser, wegen der Henkel.«
    Das war nicht ganz die Antwort, die ich haben wollte.
    Wenige Tage zuvor hatte ich die Pressesprecherin einer großen Umweltschutzorganisation angerufen. Ich hatte ihr erzählt, was ich vorhatte, und gesagt, dass ich die ganzen Informationen ziemlich verwirrend fand. »Ja«, meinte sie, »wir sind gut darin, den Leuten Angst zu machen, aber wenn’s darum geht, ihnen zu sagen, was sie tun können, sieht’s ziemlich bescheiden aus.« Sie versprach
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