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Alles öko!: Ein Jahr im Selbstversuch (German Edition)

Alles öko!: Ein Jahr im Selbstversuch (German Edition)

Titel: Alles öko!: Ein Jahr im Selbstversuch (German Edition)
Autoren: Colin Beavan
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nicht ein bisschen wenig war.
    Ein paar Monate nach unserer Fernseh-Pelz-Verhandlung bekam Michelle von einer Freundin, deren Vater in Michelles Heimatstadt Minneapolis einen Pelzhandel betreibt, eine nagelneue 1000-Dollar-Silberfuchsstola geschenkt.
    »Sie ist umsonst, und der Fuchs ist sowieso schon tot«, lautete Michelles Argument.
    »Es ist nicht
ein
Fuchs, sondern zehn«, hielt ich dagegen. »Außerdem ertrage ich klaglos deinen Fernsehschrott, und wir haben eine Abmachung.«
    »Aber das sind
deine
Maßstäbe«, entgegnete Michelle. Dann kam ihr Trumpf: »Ich will, dass wir das bei der Paartherapie besprechen.«
    Nicht, dass wir tatsächlich eine Paartherapie gemacht hätten. Gemeint war, dass ich zu einer der Sitzungen bei Michelles Therapeutin dazukommen sollte. Also marschierte ich brav mit in die Praxis an der Upper East Side, und Michelle erklärte die Situation. Auf der einen Seite eine geschenkte Pelzstola, auf der anderen Seite ein kategorisches Pelzverbot – aufgestellt von Colin. »Warum«, fragte Michelle, »soll ich mich seinen Maßstäben anpassen?«
    Als die Therapeutin sich darauf zu mir wandte und michnach meiner Meinung fragte, überraschte ich sie beide mit der Aussage, dass Michelle so viele Pelze haben könne, wie sie wollte – unter einer Bedingung: dass sie einige von mir markierte Absätze aus einer Tierschutz-Broschüre über den Pelzhandel vorlas.
    »Ich lese sie, wenn wir zu Hause sind«, sagte Michelle.
    »Nein«, entgegnete ich. »Wenn du willst, dass unsere Pelzabmachung aufgehoben wird, dann lies den Text vor, und zwar hier und jetzt.«
    Also schnappte Michelle sich die Broschüre, räusperte sich und begann zu lesen. Zwei Dinge kamen dabei heraus: Erstens beschloss Michelle, dass sie keine Pelze mehr haben wollte, weil sie nämlich ein riesengroßes Herz hat und wir beide gar nicht so verschieden sind, wie es den Anschein hat. Zweitens – und das ist der Aufhänger für meine Geschichte – bewies ich damit, was für ein selbstgefälliger Mistkerl ich war. Ich hatte meine intellektuellen Fähigkeiten und meine Überzeugungskünste dafür eingesetzt, jemand anderen dazu zu bringen, sein Verhalten zu ändern, ohne auch nur im Geringsten mein eigenes Verhalten in Frage zu stellen.
    Ja, ich hatte gelegentlich versucht, die Welt ein klein wenig zu verbessern, aber ich begann zu erkennen, dass meine politische Überzeugung bisher hauptsächlich darin bestanden hatte, dass andere sich ändern müssten (wie beispielsweise Michelle) und nicht ich selbst. Ich hatte irrtümlich geglaubt, die Verurteilung der Missetaten anderer würde mich irgendwie tugendhafter machen. Und nun erkannte ich, dass ich einer von den Liberalen war, die sich auf ein paar politische Gesten und Zugeständnisse im Lebensstil beschränken und ihre restliche Energie darauf verwenden, sich anderen Leuten, die vermeintlich weniger tun, überlegen zu fühlen.
    Ungefähr ein Jahr später kamen die ersten Nachrichten über die Erderwärmung. Nicht, dass die Erderwärmung etwas Neues gewesen wäre, die gab es schon seit rund zwanzig Jahren, aber irgendwie war sie bisher nicht in mein liberalesBewusstsein gedrungen. Wir können nicht so weitermachen, sagten die Wissenschaftler, das hält die Erde nicht aus. Die Pole werden schmelzen, die Meerespegel werden steigen, es wird Dürren geben – kurzum: Der Planet wird vor die Hunde gehen, und Millionen von Menschen werden darunter leiden.
    Die Länder der Welt hatten das Kyoto-Protokoll ausgehandelt, ein Abkommen der Vereinten Nationen zur Förderung des Klimaschutzes, bei dem für alle unterzeichnenden Nationen verbindliche Grenzwerte für den Ausstoß von Treibhausgasen festgelegt wurden. Aber die Vereinigten Staaten, Unterzeichner des Protokolls und größte Treibhausgas-Produzenten der Welt, weigerten sich, es zu ratifizieren.
    Und was tat ich angesichts der ignoranten Einstellung unseres Landes gegenüber Umweltproblemen? Nun, wenn es wieder mal wie aus Kannen schüttete, sagte ich mürrisch zu jedem, der es hören wollte: »George Bush ist schuld an diesem verrückten Wetter.« Wenn in einem Gespräch jemand behauptete, die Erderwärmung sei nur eine Theorie, entgegnete ich: »Von wegen, nach Aussage der Wissenschaftler ist es eine Tatsache«, und setzte eine grimmige Miene auf, um zu zeigen, dass ich keinen Widerspruch duldete. Und wenn es draußen so heiß war, dass ich beide Klimaanlagen einschaltete, verspürte ich sogar für einen Moment ein schlechtes Gewissen,
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