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Alles muss versteckt sein (German Edition)

Alles muss versteckt sein (German Edition)

Titel: Alles muss versteckt sein (German Edition)
Autoren: Wiebke Lorenz
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flüsternd bringt sie die Worte hervor.
    »Richtig«, antwortet Vera. »Und Patrick wusste das auch ganz genau.« Jetzt bebt ihre Stimme.
    »Das glaube ich nicht, das ist unmöglich!«
    »Du hast Felix’ Tagebuch doch eben gelesen!«
    »Was … « Sie denkt fieberhaft nach. »Was, wenn es nur eine Fantasie von ihm war? Vielleicht hat Patrick das einfach für eine pubertäre Spinnerei gehalten?« Marie merkt, wie sehr sie hofft, dass es so ist, dass es wenigstens so sein könnte . Dass er das nicht gewusst hat, dass er es nicht einmal auch nur im Ansatz für möglich gehalten hat.
    »Warum hätte er Felix dann nach Frankfurt schicken sollen? Weshalb dann das Tagebuch nehmen und bei sich verstecken?«, wendet Vera ein. »Dafür hätte es dann ja keinen Grund gegeben. Nein, Marie, Patrick hat es gewusst . Dein wunderbarer Patrick hat gewusst, dass sein eigener Bruder die kleine Schwester gefickt hat!«
    Marie weiß keine Antwort und senkt den Blick. Resignation steigt in ihr auf, denn das, was Vera sagt, ist wahr. Muss wahr sein, eine andere Erklärung gibt es nicht. »Oder«, ihr kommt ein neuer Gedanke, »vielleicht wollte Patrick nur ganz sichergehen. Vielleicht hat er trotzdem gedacht, dass es nicht stimmt, aber er wollte einfach vorsichtig sein.«
    »Vorsichtig, sicher!«, spuckt Vera ihr entgegen. »Immer nur die edelsten Motive. So edel, dass er die Geschichte auch noch für seinen ersten Roman benutzt hat, ja, das war wirklich vorsichtig!« Sie kneift die Augen zusammen, um Marie zu fixieren. »Kannst du dir vorstellen, was in mir vorging, als ich irgendwann durch Zufall Felix’ Tagebuch bei Patrick fand? Als mir klar wurde, woher der Stoff für seinen ersten Roman stammt?« Nun brüllt sie. »Kannst du dir das vorstellen?«
    Nein. Das kann sie nicht. Das alles hier kann sie sich nicht vorstellen, das übersteigt ihre Vorstellungskraft, im wahrsten Sinne des Wortes.
    »Vera kam mit dem Tagebuch zu mir«, schaltet Jan Falkenhagen sich wieder ein. »Auch ich habe sofort begriffen, was das ist, ich kannte schließlich Patricks Roman. Da war uns beiden klar: Vera wurde tatsächlich vergewaltigt. Vergewaltigt von ihren Brüdern, von allen beiden – in gleich mehrfacher Hinsicht! Missbraucht und benutzt«, er verzieht angewidert das Gesicht, »von den zwei Menschen, die sie am meisten geliebt, denen sie am meisten vertraut hat!« Noch fester legt er seinen Arm um sie, sie sitzen so dicht nebeneinander, als wären sie eine einzige Person. »Nein, das da in diesem Buch«, er zeigt mit der freien Hand auf den Karton, »das waren keine Fantasien. Das waren die Gedanken eines echten Monsters!«
    »Aber Patrick und Felix haben dich doch geliebt! Das habe ich immer deutlich gespürt.«
    »O ja«, gibt Vera zurück. »Das haben sie. In einem Fall vielleicht ein bisschen zu sehr! Und in dem anderen zu wenig. Nicht mal das war ich Patrick wert, dass er für mich auf seinen Roman verzichtet!«
    »Aber wenn das so war«, sagt Marie, »dann muss Felix doch gewusst haben, woher Patrick die Idee für diese Geschichte hat.«
    Vera nickt. »Ich bin mir sogar sicher, dass er das wusste. Aber was hätte er tun sollen? Seinen Bruder damit konfrontieren und es gleichzeitig zugeben? Patrick hatte ihn doch in der Hand!«
    »Hast du denn nie mit ihnen darüber gesprochen?«, will Marie wissen. »Ihnen nie gesagt, dass du das Tagebuch kennst? Vielleicht hätten sie ja doch eine Erklärung für alles gehabt!«
    »Nein.« Veras Stimme klingt eiskalt. »So einfach wollte ich sie nicht davonkommen lassen.«
    »Sie hätten sich irgendwie rausgeredet«, erklärt der Arzt. »Sie haben doch gerade selbst versucht, das alles zu erklären. Nur Fantasie, nur Spinnerei! « Er lacht. »Ja, genau das hätten die zwei mit Sicherheit auch behauptet! Und Patrick hat ja schon damals seinen Bruder gedeckt, wenn auch nicht ganz uneigennützig. Hat ihn einfach abgeschoben und gehofft, dass sich damit schon alles von allein regeln wird. Wozu also mit den beiden sprechen und ihnen eine Chance geben, die Vera nie hatte?«
    »Nein.« Vera schüttelt energisch den Kopf. »Das kam nicht infrage, sie so davonkommen zu lassen. Mit einer lahmen Erklärung, einer weiteren Lüge! Wir«, sie legt eine Hand auf Jan Falkenhagens Knie, »wir wussten sofort, dass es nur eine Möglichkeit gibt. Und die war, mich von beiden zu befreien.
    »Das ist doch vollkommen verrückt!« Marie springt auf, der Karton fällt zu Boden, die Fotos und das Tagebuch purzeln heraus. »Total
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