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Alles Land - Roman

Alles Land - Roman

Titel: Alles Land - Roman
Autoren: Jo Lendle
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Sprengstoff. Georgi war verwegen genug, sich wegen mangelnder meteorologischer Ausrüstung zu beschweren. Ihm fehlten für den Winter noch Ballone, vor allem kleine, zudem Drachen, Drachendraht, Registrierstreifen, außerdem zwei Meter Gummischlauch.
    Gummischlauch! Der Mann hatte Nerven. Georgi drohte eine nicht näher bezeichnete Katastrophe an, wenn ihn das Material nicht erreiche. Am Ende des Schreibens bat er, seine Erregung der Notlage zugutezuhalten. Offenbar hielt er es noch immer für eine meteorologische Notlage.
    Sie waren nun jenseits der Meteorologie.
    Wegener sah seine Grönländer im erregten Gespräch mit Wölckens Grönländern, ihre sorgenvollen Gesichter. Die Männer legten einander ihre Hände auf die Schultern.
     
    Jeden Abend die Fütterung der Hunde. Wenn man ihnen mit dem Fleisch entgegenschritt, warfen sie sich mit so viel Schwung in die Gurte, dass ihre Leinen zu reißen drohten. Beim Ausleeren musste man den Eimer weit über den Kopf heben, während einem die Hunde gegen den Leib sprangen.
    Wie dann, sobald das Fleisch zu Boden prasselte, die Hinterteile in die Luft stachen, eng aneinandergedrückt,
mit gereckten Schwänzen. Am Ende bissen sie noch in den blutigen Schnee, leckten sich gegenseitig die Spritzer vom Fell und begriffen nur langsam, dass die Speisung beendet war.
    Wie still dagegen die Grönländer geworden waren. Ihre Angst vor dem Inlandeis. Zu gerne hätte Wegener verstanden, was sie sich erzählten. Wenn er näher kam, brachen ihre Gespräche ab. Schweigend wandten sie sich den Hunden zu, kratzten ihnen das Eis aus dem Fell oder züchtigten sie, offenbar machte es keinen Unterschied.

    Bei Kilometer 62 weigerten sich die Grönländer weiterzulaufen. Sie bekämen keine Luft, die Hunde würden sterben, so dass sie am Ende zu Fuß zurückmarschieren und vor Hunger ihre Stiefelsohlen essen müssten. Auch stundenlanges Palaver brachte keinen Erfolg.
    Acht von ihnen kehrten an die Küste zurück, es kostete einige Mühe, die anderen vier zu halten. Wegener erhöhte ihnen den Sold auf sechs Kronen pro Reisetag. Es herrschte nun eisiger Frost, Schneefegen und Gegenwind.
    Sie beschlossen, das Winterhaus zurückzulassen. Man könnte sich in Eismitte immer noch im Firn eingraben, wo es auch nicht kälter war als hinter den dünnen Wänden. Es ging nur noch um das Petroleum.
    Das Ganze lief auf eine schwere Katastrophe zu, es half nichts, das zu leugnen.
     
    Zudem bremste der weiche Neuschnee ihren Marsch erheblich. Jeder Tag warf den Plan des Vortags über den
Haufen. Wegener hatte den Grönländern eine Expeditionsuhr versprochen, wenn sie bis zur Hälfte des Weges aushielten. Schon fünfzig Kilometer davor waren drei von ihnen nicht länger zu halten. Wegener schickte sie zurück, mit einem Brief an Weiken, in dem er bat, ihnen die Uhren dennoch auszuhändigen. Er werde nun mit Loewe und Rasmus, dem letzten verbleibenden Grönländer, weiterreisen.
    Ihre Ziele: Erstens Eismitte erreichen. Nur dort ließe sich die Ungewissheit aus der Welt schaffen, ob Georgi und Sorge tatsächlich so töricht gewesen waren, zu Fuß den Rückweg anzutreten. Wie sollte die Mannschaft an der Weststation in der Furcht um das Wohlergehen der beiden an vernünftige Arbeit auch nur denken?
    Zweitens Aufrechterhaltung der Winterstation um jeden Preis. Loewe und er waren entschlossen, im Firn zu überwintern, falls Georgi und Sorge zurückwollten. Zu fünft allerdings würden sie ohne ausreichende Lebensmittel und Brennstoff auf der Station kaum bleiben können.
    Georgi und Sorge könnten die Hundegespanne nutzen, an Depots bestand zumindest auf dem äußeren Stück kein Mangel. Bei gutem Reisewetter sollte der Rückweg zur Küste noch zu bewältigen sein.
     
    An Erntedank öffneten sie zwei Büchsen Makkaroni, zum Nachtisch gab es etwas Fleischbrühe. Nachts wälzten sich alle auf ihrem Lager vor Glück und Übersättigung.
    Dann endete die Reihe schwarzer Fähnchen, die ihnen bisher den Weg gewiesen hatten. Wölcken hatte sie gewarnt, dass die Markierung hier draußen löchrig werde, offenbar lag der Großteil der Wimpel in einer schlecht ausgezeichneten
Kiste. Die Schlamperei würden ihnen noch allen das Genick brechen.
    Zum Glück war Georgi auf der ersten Hinreise so gut gewesen, von hier an alle fünf Kilometer einen kleinen Schneemann zu errichten. Die Gebilde selbst waren aus der Ferne kaum zu erkennen, aber ihre Schatten stachen deutlich von dem allgemeinen Weiß ab. So zog die Karawane an einem
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