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Alles hat seine Zeit

Titel: Alles hat seine Zeit
Autoren: Ennio Flaiano
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dieser Frau, die es fertigbrachte, nur mit einem Tuch angezogen zu wirken und zu mir, der ich sie beobachtete, eine Beziehung herzustellen.
    Als sie sich erhob und sich den Bauch und die Beine zu waschen begann, bemerkte ich, dass sie sehr jung war; sie bewegte sich jedoch mit der Langsamkeit einer reifen Frau, was wohl nur der Langeweile dieses heißen Tages zuzuschreiben war. Dann sah ich, dass sie schön war; sie schien mir sogar allzu schön zu sein, oder vielleicht zwang mir nur die Einsamkeit dieses Urteil auf. Nein, sie war wirklich eine von jenen Schönheiten, die man mit Bangen annimmt und die einen in sehr ferne, nicht völlig in der Erinnerung versunkene Zeiten zurücktragen. Oder die wir in Träumen wiederfinden, aber dann nicht wissen, ob sie der Vergangenheit oder der Zukunft angehören; die Klugheit rät uns nämlich, diese zweite Möglichkeit nicht auszuschließen. Doch keine Träume: Ich war wach, und sie wusch sich ein paar Schritte von mir entfernt mit einer Seife vom Militär. Ich sah ihre helle herrliche Haut, von dichtem Blut durchpulst,«Blut, das an die Melancholie dieser Erde gewöhnt ist», dachte ich.
    Vielleicht wusste sie nichts von ihrer Schönheit. Ihr Spiegel war dieser Tümpel, oder vielleicht besaß sie sogar einen Spiegel zu ein paar Groschen, der ihr ein zerstückeltes Bild zurückwarf. Kein
Mann hatte noch um sie gekämpft, die Männer hier vermeiden die Eifersucht und geben den Dingen ihren richtigen Wert. Da sie gezwungen sind, in einer so dramatischen Natur zu leben, erregt sich ihr Verlangen nicht auf dramatische Weise. Vielleicht hatte sie einen Mann und sogar Kinder. Doch nein, sie war zu jung, und wenn sie Kinder hätte, dann würde sie sie nicht im Dorf lassen, dann wären sie auch hier, um Lärm zu machen und mich um Geld anzubetteln oder um etwas zu essen.
    Als die Frau mich zwischen den Bäumen entdeckte, fuhr sie in aller Ruhe fort, sich zu waschen, sie schien sich nicht um mich zu kümmern; vielleicht kümmerte sie sich auch wirklich nicht um mich. Fast verspürte ich Lust zu lachen und dachte, einer von uns könnte eine Luftspiegelung sein, aber nicht ich. Und sie, glich sie nicht allzu sehr jenen Schönheiten, nach denen die Soldaten suchen, um sie zu fotografieren, oder zu anderen Zwecken?
    Ich hatte die Zigarette zu Ende geraucht und ging näher zu ihr; um auf den Pfad zu gelangen, musste ich an ihr vorbeigehen. Sie tauchte von neuem in den Tümpel ein und nahm ihr eintöniges Vergnügen wieder auf. Sie sah zu, wie das Wasser auf der Haut herunterrieselte, und das war ihr genug. Ihre Gedanken, wenn sie überhaupt
welche hatte, bewegten sich träge und befassten sich nicht mit meiner Person. Die Frau ahnte nicht, dass mir in diesen Augenblicken das Tal vollkommen unwirklich vorkam, wie von einem Wunsch erschaffen, den ich mir nie einzugestehen gewagt hatte. Sie argwöhnte nicht, dass ich sie begehren könnte; oder aber sie rührte sich gerade deshalb nicht, damit ich ihre Ruhe respektierte. Eine Frau, die flieht, zieht den Verfolger an, sie macht ihn sogar erst zu einem solchen. Instinktiv musste sie dies wissen, und deshalb stand sie still und wartete darauf, mich weitergehen zu sehen. Oder meinte sie, ich könnte es ihr deutlich sagen?
    Ich war ein«Herr», ich durfte meinen Willen aussprechen. Wenn ich mir sogar die Mühe machte, ihr bis zu ihrer Hütte nachzugehen, und sagte:«Ich will dich heiraten für einen oder zwei Monate», so würde sie mir folgen, ohne sich irgendetwas zu fragen. Ihr Vater würde die paar Geldstücke in die Hand nehmen und einstecken, und die Frau würde mir ins Abenteuer folgen. Doch das war eine absurde Idee, denn man kehrt schließlich nicht ins Lager zurück, geht ins Kantinenzelt und ruft:«Esposito, noch ein zweites Gedeck.»Nach ein paar Nächten, wenn ich es müde wäre, sie zu verstecken, würde ich mir überlegen müssen, auf welche Weise ich sie loswerden könnte, und sie an irgendeinen abgebrühten Depotoffizier abtreten.
Und wir würden sie mit einem Regenschirm und einem Paar Nagelschuhen, die einige Nummern zu groß wären, herumlaufen sehen, in denen sie sich sogar im Gleichgewicht hielte. Nein, es ist klug, die Schönheit, die man in den Träumen findet, auf dem Kopfkissen (oder in der Wildnis) zu lassen und nicht mit sich zu schleppen: Man läuft Gefahr, zu viele Erklärungen abgeben zu müssen. Oder ich würde sie in ihr Dorf zurückschicken, und sie würde mir ohne weiteres treu bleiben für die ganze vereinbarte
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