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Alles ganz Isi - Islaendische Lebenskunst fuer Anfaenger und Fortgeschrittene

Alles ganz Isi - Islaendische Lebenskunst fuer Anfaenger und Fortgeschrittene

Titel: Alles ganz Isi - Islaendische Lebenskunst fuer Anfaenger und Fortgeschrittene
Autoren: Alva Gehrmann
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sie an ›Volta‹ bastelte, strickten
     die drei Frauen den langen Winter über für den Popstar irrwitzig bunte wollene Ganzkörperkostüme, eines davon trug Björk später
     auf dem Cover des neuen Albums, andere wurden auch in Magazinen abgebildet. Manche ihrer Strickarbeiten stehen noch heute
     im Studio der ILC, das sich in der Nähe des Reykjavíker Hafens in einem alten Industriegebäude befindet.
    Wie kommen die Frauen eigentlich auf ihre Ideen? Meist albern sie ein wenig herum, sagen sie, dann schreiben sie Stichpunkte
     in ein Notizbuch und vergessen sie, einige Inspirationen kommen immer wieder auf und werden dann Jahre später endlich genutzt.
     »Das Wichtigste ist, dass man offen ist – auch für die Möglichkeit, dass eine Idee eventuell doch nichts wird.« Dann komme
     eh bald wieder eine andere Inspiration. So erfanden sie für eine Ausstellung, bei der sie viel mit Nylon arbeiteten, die Teesocke.
     Wie der Name schon erahnen lässt, ist es eine mit Tee gefüllte Socke aus Nylon, die man als Teebeutel benutzen kann. Anschließend
     werden die Socken gewaschen und getragen. Die Auflage: fünfzig Exemplare.
    So einfach kann es sein. Mit Leichtigkeit performen die drei Künstlerinnen auch im öffentlichen Raum – in einer Bar, in einem
     Leuchtturm oder in der einsamen Natur Islands. Regelmäßig auch auf internationalen Kunstmessen wie der Frieze Art Fair oder
     in Museen wie dem Hamburger Bahnhof in Berlin. Jóní unterrichtet sogar Kinder in der Kunst der Performance.
    Kunst kann überall passieren und jegliche Form annehmen. Als im April 2010 der große Untersuchungsbericht veröffentlicht wurde,
     in dem nach anderthalb Jahren Recherche eine unabhängige Kommission im Auftrag des Parlaments die Ursachen und Schuldigen
     für den Beinahe-Kollaps des Bankensystemsaufzeigte, veranstaltete das Stadttheater Borgarleikhúsið eine Marathon/Dauer-Lesung: 45   Schauspieler lasen im Wechsel den gesamten Bericht vor. 2378   Seiten. Wie es sich für ein Volk mit einer langen Tradition von Nationaldichtern gehört, war der Report sehr spannend geschrieben,
     fast wie ein Krimi. Und so kamen viele Zuschauer ins Theater, um sich die Lesung anzuhören, sie wurde zusätzlich live im Internet
     übertragen – sechs Tage lang, 24   Stunden am Stück; das Material wurde genutzt, um später ein Hörbuch daraus zu machen.
     
    Eine Vorliebe für Marathon-Performances hat auch Ragnar Kjartansson, der seinerzeit mit Mugison in Ísafjörður das erste Aldrei-Musikfestival
     auf die Beine stellte und 2009 auf der Biennale in Venedig Island vertrat. Sechs Monate lang malte er denselben Mann: sechs
     Tage in der Woche, insgesamt 153   Bilder. Das Model – sein Kumpel Palli – fiel nur einen Tag wegen Krankheit aus, da skizzierte er dann halt einfach ein leeres
     Sofa. Ein bisschen verrückt sei er dabei schon geworden, gibt der 3 5-Jährige zu. Aber er wollte bei diesem Projekt mal nicht in eine fremde Rolle schlüpfen, sondern wirklich er selbst sein. Normalerweise
     spielt er eine Figur, häufig arbeitet er mit dem Element der Wiederholung: Ein Moment wird so, wie er es nennt, zu einer Art
     Skulptur, zu etwas Monumentalem.
    In seiner heimeligen Dachgeschosswohnung in der Straße Laugavegur, hängt kein einziges Gemälde aus Venedig. Stattdessen kleben
     an einem Dachbalken geflochtene Haarschnecken, die eine befreundete Künstlerin gemacht hat, außerdem kleine Erinnerungen an
     frühere Projekte. Und mittendrin steht ein Mikrofon. Er und seine Frau Ásdís Sif Gunnarsdóttir, die ebenfallsPerformance-Künstlerin ist, können also jederzeit Freunde zu einer Soirée einladen. Was sie gelegentlich auch tun. Manchmal
     übertragen sie diese Abende auch auf die großen Bühnen in Reykjavík oder im Ausland. Wenn sie für ihre Happenings noch Akteure
     brauchen, findet sich schnell jemand: »Das Praktische ist, dass in unserer kleinen Künstlerclique jeder jedem einen Gefallen
     schuldet«, sagt Ásdís und vergleicht es scherzhaft mit der Mafia. »Man kann eigentlich nicht Nein sagen.« Wenn Freunde und
     Künstler zuletzt mal wieder in einer ihrer Performances mitspielten, die man über Skype betrachten kann, steht die 3 5-Jährige kurz darauf als Schauspielerin bei einem Theaterstück auf der Bühne.
    Sicherlich arbeiten die meisten Künstler nicht nur nach dem Prinzip der Tauschwirtschaft. Stipendien ermöglichen den Profis
     ihr Auskommen, viele haben noch Zweit- oder Drittjobs, um über die Runden zu kommen.
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