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Alles ganz Isi - Islaendische Lebenskunst fuer Anfaenger und Fortgeschrittene

Alles ganz Isi - Islaendische Lebenskunst fuer Anfaenger und Fortgeschrittene

Titel: Alles ganz Isi - Islaendische Lebenskunst fuer Anfaenger und Fortgeschrittene
Autoren: Alva Gehrmann
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in der Einliegerwohnung der zukünftigen Schwiegereltern
     leben.
    Seit fast 130   Jahren trotzt Borghildurs mit Wellblech verkleidetes Haus in Blassrosa jedem Wind und Wetter, auch wenn es bei Sturm in der
     Wohnung unter dem Dach gewaltig ächzt und krächzt. In den Achtzigern wuchsen dort ihre beiden Töchter auf, heute übernachten
     hier Familienangehörige und Freunde, wenn sie zu Besuch sind. Auch ich habe dort schon mehrmals einige Monate gelebt. Auf
     knapp 35   Quadratmetern gibt es ein kleines Bad, eine Küche mit Wohnzimmerbereich und zwei Schlafzimmer. Das zweistöckige Gebäude ist
     sehr gemütlich, aber hellhörig, die Decken sind niedrig, was durch die Dachschrägen noch verstärkt wird. Liegt man bei Regen
     in seinem weichen Bett, fühlt es sich an, als würden die Tropfen direkt auf den Kopf prasseln.
    Borghildurs Holzhaus in der Straße Laufásvegur ist ein kleines Stück Island. Eine Insel auf der Insel – und ein Ort, an dem
     man die isländische Lebenskultur mit allen Sinnen erleben kann. Hören sie und ihr Mann morgens Radio, vibriert an dieser Stelle
     in der Etage darüber der Boden. Kochen sie abends, zieht der Duft von gegrilltem Lachs oder Lammsteaks herauf.
    In isländischen Wohnungen lebt man ein bisschen das Leben der anderen mit, und trotzdem lässt jeder dem anderen Freiraum,
     keiner beschwert sich, wenn ein Dreijähriger stundenlang herumtollt, der Hund den Mond anbellt oder die pubertierenden Sprösslinge
     der Nachbarn nachts betrunken die Treppenraufpoltern. So wie auch Borghildur kaum noch hochschreckt, wenn in der Wohnung über ihr die Sirenen losgehen, weil die Gäste
     aus Versehen durch den aufsteigenden Dampf von kochenden Nudeln den empfindlichen Rauchmelder auslösen. Die Lösung: beim Kochen
     immer alle Fenster und Türen öffnen. Seit fünfzig Jahren sind Borghildur und Vilhjálmur ein Paar, wie die meisten Isländer
     sind sie immer unterwegs; zur Ruhe werden sie wohl nie kommen. Beide arbeiten noch, Borghildur ist Künstlerin und ihr bald
     siebzigjähriger Mann Architekt. In der Freizeit gibt es ständig etwas zu tun, sei es im Garten und/oder im Sommerhaus, außerdem
     gehen die beiden einmal in der Woche zu einem Uni-Kurs über die Njáls-Saga, die in der Region ihres Sommerhauses spielt: Sie
     haben ein Theaterabo, Borghildur macht Yoga, Vilhjálmur geht Angeln und Golfen,und dann kommen regelmäßig Freunde wie die Dichterin oder die Familie zu Besuch. Ihre beiden Töchter und die sechs Enkelkinder
     leben natürlich in der Nachbarschaft. So können Borghildur und Vilhjálmur stets kurzfristig einspringen, wenn einer der Enkel
     abends mal betreut oder bekocht werden muss.
    Borghildur in ihrem Gartenhaus
    In Reykjavík liegt vieles um die Ecke. Von ihrer Wohnung aus hören sie die balzenden Schwäne und schnatternden Enten am Tjörnin,
     einem großen Teich, der sich direkt neben dem Rathaus befindet und bei Kindern und Touristen beliebt ist. Das Parlament, der
     Laugavegur, der Amtssitz der Premierministerin – alles ist in zwei Minuten Fußweg erreichbar.
    Da jeder, sogar die Premierministerin und der Präsident, mit Vornamen angesprochen wird, schafft das zusätzliche Nähe, es
     gibt weniger Hierarchien als in großen Staaten. Schon früher hielt sich ein Bauer für genauso viel wert wie der König. Da
     die Nachnamen im Prinzip keine Bedeutung haben, sind logischerweise auch die Telefonbücher nach Vornamen sortiert. Darin finden
     sich 382   Viljhálmurs und 100   Borghildurs. Ich kenne mittlerweile drei Villis, so der Kosename, zwei Borghildurs und sogarvier Halldórs. Zum Glück haben viele von ihnen Zweitnamen oder sie sind durch ihren Job, die Partnerin oder den Wohnort leicht
     einzuordnen, sodass es im Gespräch nicht zu Missverständnissen kommt. Schließlich kennen die Isländer selbst ja auch etliche
     Halldórs und Villis.
    Reykjavík: der Tjörnin
    Die Dopplungen kommen unter anderem daher, dass die Isländer ihren Kindern nicht einfach jeden Namen geben dürfen. Es gibt
     eine Kommission, die bestimmt, welche erlaubt sind. Das ging früher sogar so weit, dass Einwanderer ihren eigenen Namen ablegen
     mussten, wenn sie isländische Staatsbürger werdenwollten. Ein Vietnamese hieß dann vielleicht Jón Magnússon. Sosehr das Inselvolk auch auf die Wahrung seiner sprachlichen
     Eigenheiten achtet, irgendwann wurde der Namenraub dann doch als diskriminierend empfunden. Mittlerweile können Ausländer
     ihre Namen behalten und Isländer
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