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Alles ganz Isi - Islaendische Lebenskunst fuer Anfaenger und Fortgeschrittene

Alles ganz Isi - Islaendische Lebenskunst fuer Anfaenger und Fortgeschrittene

Titel: Alles ganz Isi - Islaendische Lebenskunst fuer Anfaenger und Fortgeschrittene
Autoren: Alva Gehrmann
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Verwandtschaftsgrad erfährt. Eine Information, die besonders frisch verliebten Pärchen wichtig
     ist.
    Im Allgemeinen sind die Isländer aber nicht so blutsverwandt, dass es genetisch gefährlich wäre, schließlich kamen über die
     Jahrhunderte viele Reisende auf die Insel am Rande des nördlichen Polarkreises, unter anderem Inuit aus Grönland, Dänen, Franzosen,
     Basken, Iren, Engländer, Deutsche und Amerikaner. Einige jagten Wale, andere kamen als Handelsleute, Piraten, Abenteurer oder
     wie die Dänen als Kolonialisten, und manche verliebten sich bei ihren Touren in die Töchter der Fischer und Bauern. Die ersten
     Dauersiedler waren im Jahre 874   Norweger, die vor der Unterdrückung des Königs flüchteten und auf dem Weg nach Island, der »Eisinsel«, in Irland und auf einigen
     anderen Inseln Halt machten, um sich ein paar Sklaven, vor allem irische Frauen, zu schnappen. Manche scherzen deshalb, die
     ersten Isländer seien räuberische Steuerflüchtige gewesen.
    Glaubt man den alten Sagengeschichten, die von der Landnahme der Norweger und Kelten berichten, so sollen sie stur, stolz
     und eigen gewesen sein – alles Attribute, die man auch den heutigen Nachfahren immer wieder nachsagt. Die Isländersagas wurden
     im 13. und 14.   Jahrhundert aufgeschrieben. Es sind nicht nur gewaltige Wikinger-Geschichten, sondern auch Familiendramen. Der eine muss den
     Mord eines Bruders rächen, der andere die Ehre seiner Frau retten. In der Njáls-Saga zum Beispiel, die im Süden Islands spielt
     und als berühmteste Saga gilt, geht es um die Freundschaft zwischen Gunnar und Njáll, aber auch um deren verfeindete Frauen.
     Der grund- und endlose Sippenstreit endet in einem großen Brand.

Die Insel Bielefeld
    Dramatisch, existenziell und abenteuerlich, wie die Landschaften bis heute sind, war seit jeher auch das Leben auf dieser
     Insel.Das prägte die Identität ihrer Bewohner. Wie fühlt sich Identität an, wenn ein ganzes Volk aus gerade mal einer Drittel Million
     Menschen besteht? Man muss sich das in etwa so vorstellen, als wäre Bielefeld eine einsame Insel im weiten Atlantik. Ungefähr
     so viele Bewohner hat ganz Island. Bielefeld wäre also eine Nation mit eigener Sprache, die sonst fast niemand auf der Welt
     versteht. Natürlich verreisen die Isländer häufig, bleiben zuweilen einige Jahre, vielleicht sogar Jahrzehnte im Ausland,
     doch die meisten kehren irgendwann zurück.
    Sie besiedeln eine Fläche so groß wie Bayern und Baden-Württemberg zusammen, doch da der Großteil der Menschen in und um Reykjavík
     wohnen, leben sie sehr nah beieinander. Alles andere ist dafür sehr weit weg: Schottland 800   Kilometer, Norwegen fast tausend und Berlin rund 2400   Kilometer. Die Isländer können nicht mal eben mit dem Auto ins Nachbarland fahren.Freilich gibt es viele internationale Flugverbindungen, doch eine Insellage isoliert immer – und verbindet die Bewohner stärker
     miteinander.
    Vilborgs Haus
    Selbst in 101   Reykjavík, dem zentralen Viertel der Hauptstadt, ist die Vernetzung der Gesellschaft groß. Die 6 8-jährige Borghildur Óskarsdóttir und ihr Mann Vilhjálmur Hjálmarsson leben in einem dieser typischen alten Holzhäuser, die der Innenstadt
     ihren Charme und das dörfliche Flair geben. In ihrer Straße Laufásvegur stellen die Anwohner bei schönem Wetter Korbstühle
     vor die Tür, die Fahrräder werden unabgeschlossen ins offene Glashaus gestellt, und die Bettwäsche flattert draußen im Wind.
     
    Im Herbstwind
    wehen die schneeweißen Laken
    meiner Nachbarin
    wie unbeschriebene Blätter
    bitten mich um neue Gedichte
    »Nachmittag im September«
     
    Mit diesen Zeilen hat Vilborg Dagbjartsdóttir die wehenden Bitten erfüllt. Sie schrieb das Gedicht auf ein schlichtes weißes
     Blatt Papier und schenkte es ihrer Nachbarin Borghildur. Einige Monate später erschien es auch in einem Gedichtband, anlässlich
     Vilborgs 80.   Geburtstag. Sie ist in Island eine bekannte Poetin.
    Das Papier mit dem Originalgedicht hängt inzwischen eingerahmt neben jenem Fenster, das auf den mit Rosen bewachsenen Hinterhof
     zeigt, in dem Borghildur stets ihre Wäsche aufhängt und von dem aus sie das dunkelblaue Wohnhaus derDichterin sehen kann. 2003 verstarb Vilborgs Mann, nun lebt einer ihrer Enkel bei ihr. Bei uns fände man das vielleicht ungewöhnlich,
     doch auf der Insel kommt es durchaus vor, dass 2 3-Jährige eine Wohnung im Haus der Großmutter haben oder junge Frauen mit ihren Partnern
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