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Allen, Louise - Ballsaison in London (H218)

Allen, Louise - Ballsaison in London (H218)

Titel: Allen, Louise - Ballsaison in London (H218)
Autoren: Louise Allen
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lediglich auf ihre eigene, kalte Haut. Das Leintuch war verschwunden. Verzweifelt suchte sie in dem kleinen Raum danach, als würden drei Yards weißen Tuches in einem leeren Raum einfach verschwinden können, dann erinnerte sie sich seufzend an den leichten Zug an ihrer Schulter, als sie um das Regal gehuscht war.
      Zitternd vor Kälte und Furcht, das Ohr an die Tür gedrückt, hörte sie deutlich Harlands Stimme. Er klang nervös. „Gentlemen, wie Sie sehen, bin ich allein und eigentlich nicht imstande, Sie zu empfangen. Nun gut, wie dem auch sei, da Sie nun schon einmal hier sind, womit kann ich Ihnen dienen, Mr Hemsley? Sie schrieben etwas über ein Porträt Ihrer Tante, nicht wahr?“
      „Alleine?“ Der Besitzer der blasierten Stimme – Mr Hemsley, folgerte sie – nahm keine Notiz von der Frage des Künstlers. „Ihr Farbenmann sagte, Sie hätten ein Modell hier oben.“
      „Da liegt er falsch. Vorhin hatte ich ein Aktmodell hier, aber …“
      „Ein Akt, in der Tat! Seht mal her, Leute!“ Diese Stimme klang jünger, aufgeregt.
      „Vorsicht, mein Herr! Das Gerüst ist nicht sehr sicher gebaut!“ Also war einer von ihnen zur Leinwand hinaufgeklettert.
      „Teufel nochmal.“ Das war Hemsley. Seine Stimme klang jetzt seltsam belegt – vor unterdrückter Erregung, so viel konnte selbst Talitha in ihrer Unschuld erkennen. Dann klang der Eifer wieder durch. „Ich wette, sie ist noch hier, Harland, alter Fuchs. Kommt, Männer, auf zum fröhlichen Jagen!“
      „Um Himmels willen, Hemsley.“ Die kühle Stimme klang über alle Maßen gelangweilt. „Wie lange willst du dich noch in dieser schäbigen Dachkammer herumtreiben? Oh, also gut, wenn du sonst keine Ruhe gibst, dann suchen wir eben. Ich sehe mich hier um, du und die anderen, ihr sucht dort drüben. Zweifelsohne werden wir ein paar sehr große Spinnen, einen toten Sperling oder zwei und jede Menge Mäuse aufstöbern.“
      Noch während er sprach, näherten sich seine Schritte ihrem Versteck. Verzweifelt überlegte Talitha, den Griff zu packen und die Tür zuzuhalten, so fest sie konnte, um ihn daran zu hindern, sie zu öffnen. Der Gedanke daran, schließlich doch und noch dazu auf äußerst unwürdige Art und Weise ans Licht gezerrt zu werden, mehrte allerdings nur ihren Schrecken und hielt sie davon ab. Die Schritte verhielten. Vom anderen Ende des Dachbodens her hörte man den Lärm der ausgelassenen Sucherei, vermischt mit aufgeregten Rufen und dem gelegentlichen „Bitte, Gentlemen, seien Sie vorsichtig mit den Leinwänden!“ des aufgeregten Künstlers.
      Jetzt erklangen die Schritte wieder, näher. Wenn sich ihre angestrengten Ohren nicht täuschten, umrundete der Besitzer der Schritte gerade das letzte Regal. Unmittelbar vor dem Schrank verhielten die Schritte erneut. Entsetzt wandte Talitha sich von der Tür ab und kauerte sich, so gut es ging, in den Schatten. Die Arme eng um ihren zusammengekauerten Körper geschlungen, erwartete sie das Schlimmste.
      Die Haare fielen ihr zu beiden Seiten um den gebeugten Kopf und vermittelten ihr immerhin ein trügerisches Gefühl von Geborgenheit und Anonymität, doch selbst dies verschwand, als sich knarrend die Tür des Schranks öffnete. Licht flutete aus dem Atelier in den kleinen Raum hinein und vertrieb den schwachen Schimmer des Schrankfensterchens. Der Schatten eines Mannes fiel auf den Boden zu Talithas Füßen.
      Er bewegte sich nicht. Sie konnte seinen gleichmäßigen Atem hören, allerdings auch das kurze Stocken darin, als er ihrer ansichtig wurde. Einen Augenblick nur, dann hatte er sich bereits wieder vollkommen unter Kontrolle. Schweigend betrachtete er sie, sie ihrerseits verharrte wie gelähmt, zu keiner Bewegung imstande und unfähig, die Augen von dem langgezogenen Schatten abzuwenden.
      Der unsichtbare Blick brannte sich in ihren Körper. Talitha wusste nur zu genau, was dieser Blick zu sehen bekam. Heiße Wellen der Beschämung spülten über ihren Leib. Ihr war sterbenselend.
      Jetzt lass es doch gut sein! schrie sie innerlich. Wie kannst du mich so quälen?
      Jeden Moment würde er jetzt rufen und das ganze Pack um sich sammeln, sie würden anzüglich grinsen, sie berühren, höhnisch lachen. Wie ein wildes Tier in der Falle zog sie sich in sich selbst zurück, ihr Verstand so erstarrt in Schrecken und Scham, dass sie keines vernünftigen Gedankens mehr fähig war.
      Der Schatten zu ihren Füßen verlagerte sich. Der Mann bewegte sich, sie spürte
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