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Allein unter Muettern - Erfahrungen eines furchtlosen Vaters

Allein unter Muettern - Erfahrungen eines furchtlosen Vaters

Titel: Allein unter Muettern - Erfahrungen eines furchtlosen Vaters
Autoren: Tillmann Bendikowski
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mehrere Stunden hinweg im Garten hocken und dabei nur das absolut Nötigste sprechen (»Papa, kannst du mir mal den Knoten aufmachen?«, »Geht ihr bitte mit der großen Gartenschere von den Tulpen weg?«, »Ich geh’ nur schnell aufs Klo«). Das war’s dann aber auch. Wenn meine Frau nach einem schweren Arbeitstag nach Hause kommt und uns besorgt fragt, was so passiert sei, antworte ich wahrheitsgetreu: »Nichts.« Aber irgendwie beschleicht mich doch das Gefühl, sie ist mit dieser Antwort nicht zufrieden. Sie hätte wohl gerne mehr mit mir über den Tag gesprochen.
    Das Reden der Mütter dürfte übrigens langfristig Folgen zeitigen: Haben diese Frauen nicht zumeist solche Männer zuhause, die sie beim Reden über ihre Söhne selbst beschreiben? Nämlich solche, die nicht reden? Die den Mund nicht aufkriegen, wenn es aus Frauen-Sicht doch angeraten wäre? (»Findest du nicht, dass du dazu jetzt aber wirklich etwas sagen solltest?«) Früher dachte ich, das sei so – die Männer hätten halt von Natur aus ein Problem mit dem Sprechen. Aber nach meinen Jahren unter Müttern scheint mir eine andere Hypothese zumindest bedenkenswert: Kann es vielleicht sein, dass da die ehemaligen Jungs schweigen, auf die ihre Mütter einst so vehement eingeredet haben? Es könnte die späte – ungewollte, aber höchst wirkungsvolle – Rache der Jungs sein, denen die Mütter mit allem und jedem in den Ohren lagen. Aus schweigenden Söhnen wurden halt ebensolche Männer: Das Imperium schweigt zurück.

ARME RITTER
    Da wir gerade über Mütter und Söhne sprechen, nutzen wir die Gelegenheit, an diesem Punkt ausnahmsweise einmal etwas grundsätzlicher zu werden. Erst dachte ich, wir sollten mit Harry und Sally und also mit der Gewissheit beginnen, wonach Männer und Frauen keine Freunde sein können. Doch das ist mir zu zwischenmenschlich. Vielmehr geht es nach meinen Erfahrungen unter Müttern doch vielmehr um die Frage, was das offensichtliche Ungleichgewicht der Geschlechterverteilung bei der Erziehung von Söhnen für diese bedeutet. Also: Welche Folgen hat es, dass Mütter die Söhne erziehen? Dass also die Mütter die Männer von morgen machen? Ich gebe zu, dass ich an diesem Punkt gedanklich stets ein wenig großzügig war und das heikle Thema soziale Konstruktion von Geschlecht häufig ein wenig auf die leichte Schulter genommen habe. Typisch Mann eben. Aber die Geschichte von den Rittern hat dazu geführt, dass auch ich mich an diesem Punkt weiterentwickelt habe. Und das kam so:
    Wie bei allen Jungs hielten zu einem gewissen Zeitpunkt auch bei meinen Söhnen die Ritter Einzug in Geschichten und Kinderzimmer. Zwar nicht in Form dieser grauenhaften Playmobil-Figuren, über die – da bin ich mir sicher – am Jüngsten Tag der liebe Gott und seine für ästhetische Entgleisungen der Menschheit zuständigen Engel dereinst ausgiebig Gericht halten werden. Nein, auch in den schönsten Geschichten für die Kleinen tauchten zunehmend die behelmten Freunde auf. Vieles an ihnen ist von grundsätzlichem Interesse, etwa, warum die Ritter immer kämpfen mussten, wie schwer eigentlich die Rüstungen waren und dass an den Burgen die Klos immer hoch oben an den Außenmauern angebracht waren, so dass die Na-Sie-wissen-schon klatschend in den Burggraben fiel. So weit, so gut – und sicher auch von sozialgeschichtlichem Belang. Auch ich malte fleißig Burgen und Ritter (die allerdings immer zu Fuß gehen mussten, weil Papa nun mal keine Pferde malen kann) und erfreute mich ansonsten am Interesse des Nachwuchses an diesen wenigen Perlen, die die deutsche Vergangenheit zu bieten hat.
    Schwierig wurde es für mich allerdings, als die Ritter zunehmend zu Trägern männlicher Tugenden mutierten. Mut und Tapferkeit bogen jetzt ebenfalls um die Ecke, um sich im Kinderzimmer ihren gemütlichen Platz einzurichten. Und – Sie ahnen es – schon bald streifte der historische Träger dieser Tugenden durchs Haus, der Held. Zu Helden herkömmlicher Prägung habe ich – das ist selbstverständlich mein persönliches Problem – ein eigentümlich gestörtes Verhältnis. Vielleicht liegt es daran, dass ich selbst keinen kenne, vielleicht aber auch nur daran, dass meines Erachtens auf den Soldatenfriedhöfen dieser Welt bereits genug Helden liegen. Mein Bedarf an der Bereitstellung weiteren Nachschubs ist jedenfalls gedeckt; mir scheint die Evolution oder welcher Weltenplan auch immer für junge Männer sinnvollere Schicksale bereitzuhalten.
    Aber ich will
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