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Allein in der Wildnis

Allein in der Wildnis

Titel: Allein in der Wildnis
Autoren: Gary Paulsen
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dann entdeckte er auch seinen Bogen, eingekeilt unter einem Treibholzbalken. Er war zerbrochen, aber die kostbare Bogensehne war noch heil. Alles nicht so schlimm, dachte Brian. Gar nicht so schlimm.
    Mit den Augen suchte er die Uferlinie ab, um noch weitere Teile seiner Hüttenwand zu finden.
    Und da entdeckte er es.
    Draußen im See ragte ein gelbes, gewölbtes Etwas knapp einen halben Meter aus dem Wasser. Es war von leuchtender Farbe, ganz anders als die Schattierungen der Natur, und anfangs konnte sich Brian keinen Vers darauf machen. Dann aber wusste er, was es war.
    »Es ist das Heck des Flugzeugs«, sagte er laut, als ob ihn hier jemand hören und antworten könnte. Das war es, das Leitwerk des Flugzeugs, es ragte aus dem Wasser. Wahrscheinlich hatte der Tornado den Rumpf des Flugzeugs herumgewälzt, als er über den See zog. Er hatte die Lage des Flugzeugs verändert und das Heck hochgehoben.
    Na, dachte Brian, sieh einmal an! Doch im selben Moment beschlich ihn ein unheimliches Gefühl. Er musste an den Piloten denken, der immer noch, tief im Wasser, angeschnallt in seinem Cockpit saß. Brian zitterte und spürte die Traurigkeit, die ihn wie ein schweres Gewicht niederdrückte. Er hatte den Wunsch, etwas für den Piloten zu tun – oder etwas zu sagen. Ein Gebet. Aber er kannte die richtigen Worte nicht – die Worte der Religion.
    Darum kniete er am Wasser nieder und schaute zum Flugzeug hinüber und konzentrierte seine Gedanken, wie er es tat, wenn er auf die Jagd ging. Er konzentrierte sich auf den Piloten und dachte im Stillen: »Ruhe in Frieden. Jetzt und in Ewigkeit.«

17
    Er wandte sich um und betrachtete seinen Lagerplatz. All die Verwüstung. Hier gab es viel zu tun. Brian musste seine Hütte wieder aufbauen, er musste wieder Feuer machen, er musste Nahrung suchen und sich neue Waffen herstellen, damit er wieder auf die Jagd gehen konnte. Und er musste langsam zu Werke gehen, weil seine Rippen schmerzten.
    Immer der Reihe nach!, sagte er sich. Als Erstes suchte er trockenes Gras und Zweige zusammen, dann schälte er Rindenfasern von einer Birke ab und bauschte sie zu einem Knäuel. Bedächtig und langsam arbeitete Brian. Aber mit seinem neu erworbenen Wissen schaffte er es in knapp einer Stunde, Feuer zu machen. Die Flammen, knisternd und züngelnd, gaben Brian neuen Mut. Außerdem verscheuchten sie die angriffslustigen Moskitos.
    Als das Feuer brannte, ging er noch einmal Holz sammeln. Der Regen hatte die meisten dürren Stämme und Äste am Boden aufgeweicht. Aber schließlich fand Brian eine mächtige Fichte, deren ausladender Wipfel die unteren, abgestorbenen Äste abgeschirmt hatte. Es war nicht leicht, sie abzubrechen. Noch immer hatte Brian nicht viel Kraft in den Armen und in den schmerzenden Muskeln. Trotzdem gelang es ihm, einen Vorrat anzuhäufen, der sein Feuer den ganzen Tag lang nähren würde.
    Jetzt konnte er ausruhen und überlegen, wie er sein Lager wieder in Ordnung bringen sollte.
    Teile der ursprünglichen Schutzwand – ein paar Stangen und Flechtwerk – lagen noch am Ufer verstreut. Jenseits des Hügels fand er sogar ein Stück der Wand unbeschädigt. Der Sturm hatte es aus der Verankerung gerissen, emporgewirbelt und hinter dem Hügel fallen lassen. Brian pries noch einmal sein Glück, dass der Tornado ihn weder getötet noch ernsthaft verletzt hatte – was auf dasselbe hinauskäme, so dachte er. Wenn er nicht jagen konnte, musste er sterben. Wenn er verletzt war, konnte er nicht auf die Jagd gehen.
    Unverdrossen schleppte er all dieses Holz herbei, bis die Schutzwand wieder aufgebaut war. Ziemlich unordentlich einstweilen, aber das konnte er später ausbessern. Auch fand er genug grüne Fichtenzweige, um sich ein neues Bett zu bauen. Der Sturm hatte im Wald gewütet, als sei ein rasender Riese mit seiner Keule zwischen die Bäume gefahren. Mächtige Fichtenstämme waren wie Zündhölzer geknickt oder gesplittert, ihre Wipfel vom Sturm gefällt. Der Waldboden war so übersät mit Ästen und abgebrochenen Baumkronen, dass Brian sich kaum vorwärtsbewegen konnte. Die dichtesten Fichtenzweige schleppte er für sein Bett herbei, grün und würzig duftend nach frischem Harz, und gegen Abend streckte er sich erschöpft und hungrig auf seinem Lager aus. Alle Knochen taten ihm weh – aber er hatte wieder ein Dach über dem Kopf, ein Zuhause.
    Morgen!, dachte er, während er in die Dunkelheit starrte. Morgen würden die Fische wiederkommen und Brian würde einen neuen Speer und
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