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Allein in der Wildnis

Allein in der Wildnis

Titel: Allein in der Wildnis
Autoren: Silvia Busch
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Kevin war sauer, immer musste er alles machen. Sein Bruder dachte nur an sich. Er ließ den Kopf hängen und trug den Müll nach unten. Wann hatten sie eigentlich zuletzt etwas gemeinsam unternommen? Er konnte sich nicht mehr daran erinnern. Zudem ließ ihn Tim immer öfter allein zu Hause, dabei fürchtete er sich seit der Trennung der Eltern davor. Jeder Schatten an der Wand, jedes Geräusch erschreckte ihn. Aber das zeigte er nicht, denn er wollte sich nicht blamieren. Nur seine Fingernägel zeugten von seiner inneren Zerrissenheit. Sein Bruder würde ihn nur wieder „Weichei“ nennen, dachte er sich im Stillen. Deswegen wünschte sich Kevin ein Haustier. Am liebsten einen Hund, dann wäre er nicht mehr allein. Frustriert öffnete er die Kühlschranktüre und holte sich ein Eis.
    Ihren Vater sahen die Brüder nur in den Wintermonaten, da er den Sommer in einem Nationalpark verbrachte. Dieses Jahr jedoch verfolgte ihre Mutter selbst ein Forschungsprojekt am Atlantik, und so sollten die Jungen ein halbes Jahr bei ihrem Vater verbringen. Ein halbes Jahr inmitten eines Nationalparks, wo es keinen Kontakt zu anderen Jugendlichen gab.
    Kristin freute sich auf das Forschungsprojekt. Seit der Geburt ihrer Kinder war sie niemals wieder auf dem Ozean unterwegs. Sie liebte die Unterwasserwelt mit ihrer einzigartigen Tierwelt. Genau wie ihr Exmann erforschte sie die Verbindung zwischen Umwelt und Lebewesen, nur eben im Ozean. Kristin war eine gute Schwimmerin und tauchte für ihr Leben gern. Sie hatte gehofft, dass wenigstens einer ihrer Söhne die Liebe zum Ozean und deren Unterwasserwelt erbte. Aber bisher war noch nichts davon zu bemerken. Tim war zwar ein sehr guter Schwimmer und Surfer, aber er begeisterte sich nicht für die Natur. Nach endlosen Diskussionen mit ihrem Exmann hatte sich Kristin überzeugen lassen, dass die Kinder bei ihm im Nationalpark gut aufgehoben waren. Vielleicht begeisterten sie sich dann auch für die Natur und würden einmal die berufliche Richtung einschlagen. Nur, wie brachte man den Kindern bei, ihre vertraute Umgebung zu verlassen? Sie hoffte auf ein wenig Abenteuerlust. Kristin seufzte. Es wird sicherlich unzählige Diskussionen mit ihren Kindern geben.
    Die Jungen waren sauer. Beide hatten schlechte Laune. Seit gestern kannten sie die Pläne ihrer Eltern. Kevin liebte zwar die Natur, fürchtete sich aber vor der Einsamkeit. Darüber wollte er mit seinem Bruder reden und betrat das Zimmer von Tim, der inzwischen zurückgekehrt war.
    „Hau ab, lass mich allein“, brüllte dieser seinen Bruder an und schlug ihm die Türe vor der Nase zu.
    Dann drehte er seine Musik laut, damit er niemanden mehr hörte. Null Bock hatte er. Erst recht nicht auf seinen Bruder. Der nervte ihn gewaltig. Wie ein Baby war er, dauernd musste er an seinem Rockzipfel hängen.
    Kevin ging traurig in sein Zimmer und schluckte schwer. Warum war Tim nur immer so gemein zu ihm? Sollten Geschwister nicht füreinander da sein? Kevin verstand seinen Bruder nicht. Für diesen zählte einzig sein blöder Computer, sein Sport oder seine Freunde. War das früher auch so gewesen? Kevin konnte sich gar nicht mehr daran erinnern.
    Für einen Monat würde er ja gern in die Wildnis gehen. Er hatte schon so viel über den Nationalpark gelesen, aber ein halbes Jahr war wirklich zu lang.
     
    Die Mutter, die mit dieser ablehnenden Reaktion ihrer Söhne gerechnet hatte, wartete mit dem nächsten Gespräch bis zum Abendessen. „Vielleicht beruhigen sie sich bald wieder“, sagte Kristin zu ihrer besten Freundin am Telefon. Diese machte ihr jedoch keine Hoffnung. Kristin hatte wirklich lange überlegt, ob sie die Kinder bei ihren Eltern lassen sollte oder bei Nick. Die Entscheidung ist ihr nicht leicht gefallen. Aber eine Veränderung würde den Kindern guttun und sie vielleicht wieder zusammenführen. Die Krise zwischen ihren Söhnen hatte sie schon lange bemerkt.
    Beim Abendessen nahm die Mutter das Gesprächsthema wieder auf. „Weihnachten sind wir doch alle wieder hier“, sagte sie zu ihren Kindern. „Es ist nur ein halbes Jahr, und euer Vater freut sich auch.“
    „Mensch, ein halbes Jahr ist lang, wenn man seine Freunde und Schulkameraden nicht sehen kann“, meckerte Tim. „Ich habe keinen Bock darauf. Was will ich in der Natur? Dann kann ich auch in den japanischen Garten gehen und Wasserfälle haben wir hier auch. Was wird aus meinem Sport? Außerdem kann ich doch bei meinem Freund wohnen. Dessen Eltern haben nichts
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