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Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)

Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)

Titel: Alle vier Martin-Schlosser-Romane: Kindheitsroman - Jugendroman - Liebesroman - Abenteuerroman: Mit einem Vorwort von Frank Schulz (German Edition)
Autoren: Gerhard Henschel
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laufen. Im Mariengymnasium zum Beispiel, da hat noch 1948 ein Hitlerbild im Lehrerzimmer gehangen! Wir durften da ja nicht rein, aber vom Flur aus habe ich das dann doch mal gesehen! Und meint ihr etwa, daß das ’n Nachspiel gehabt hätte?«
    Irgendwie lenkte Papa das Gespräch auf das Buch »Jürnjakob Swehn der Amerikafahrer«, das von Mecklenburgern handelte, die im 19. Jahrhundert nach Amerika ausgewandert waren. Als denen der Pastor zu teuer geworden sei, hätten sie den Ältesten ihrer Gemeinde dazu drangekriegt, den Gottesdienst zu halten, und dieser rednerisch und theologisch unbedarfte Alte habe dann immer nur gebrüllt: »Ihr Ottern! Ihr Schlangen! Ihr Schlangen- und Otterngezücht!« Und zum Schluß habe er sich verheddert und gerufen: »Ihr Schlottern und Zangen! Ihr Schlottergezücht!«
    Vieles sei ja heute zweifelsohne besser als vor hundert Jahren, sagte Mama, aber wenn sie sich die Welt nach Ablauf weiterer hundert Jahre vorstelle, dann beneide sie ihre Urenkelkinder wahrlich nicht um deren Dasein. Vielleicht seien wir ja überhaupt die letzten Generationen, die sich noch eines halbwegs natürlichen Erdenwandels erfreuen dürften.
    In meiner persönlichen Jahresbilanz stand der Absprung aus Meppen an oberster Stelle. Und der depperte Zivildienst war nun auch schon fast vorbei.
    Gesichter ’82: Frau Perlacher, Frau Öhlschläger, Frau Kyritz und Frau Gorske. Harald der Lenkradbeißer, Herbert der Jodler, die IQ -Siebzehns, Mister Nepp, Monsieur Bonnechance und Signor Frustrazione.
    Dietmar, dieser vom Schicksal geschlagene Free-Jazz-, Maggi- und Nowottny-Fan. Und Magnus. Der hatte sich auch nie wieder gemeldet.
    Gabi. Daniela. Julia. Mona …
    In meinem Schrank lag immer noch der unvollendete weiße Schal.
    Alles war schön an diesem einzigen Abend, ma sœur
    Nachher nie wieder und nie zuvor –
    Freilich: mir blieben nur mehr die großen Vögel
    Die abends im dunklen Himmel Hunger haben.
    Als hätte einem das Leben nur lauter leere Versprechungen gemacht.
    Für Langschläfer wie mich begann der erste volle Tag im neuen Jahr mit Schweineschmorbraten, Kartoffelbrei, Tomatensalat und Rotwein.
    Papa ermahnte alle, sich mit der Serviette vor dem Trinken das Fett vom Mund zu wischen. Das bleibe sonst am Glasrand kleben, und solche Flecken sähen nicht gerade appetitlich aus.
    Nach anderthalb Wochen in Meppen hatte ich direkt Sehnsucht nach Bielefeld. Ich beugte mich wieder unter das AWO -Joch, und in der Mittagspause kaufte ich mir einen Super-8-Film und nahm mit meiner neuen Kamera das Verkehrschaos am Jahnplatz auf. Das wollte ich später mal irgendwie mit gregorianischen Chorälen oder sowas unterlegen. Ein Verfremdungseffekt, auf den wohl selbst der V-Effekt-Erfinder Brecht noch nicht gekommen war.
    Störend fand ich bei den Dreharbeiten das Geglupsche der Fußgänger, die sich natürlich fragten, was es da zu filmen gab. Wenn sich dereinst herausstellte, daß der weltberühmte Experimentalfilmer Martin Schlosser seine Feuertaufe in Bielefeld empfangen hatte, würden sie mir noch die Ehrenbürgerschaft antragen, aber ich würde abwinken. Oder ihnen ein hohntriefendes Telegramm aus Beverly Hills senden:
    Sorry, folks. Do you remember your strange behaviour at the Jahnplatz? If you really want to do me a favour, go to hell. And as to Bielefeld: Please burn it down. Or smoke it in the pipe. With love, M. S.
    Den Film mußte man zum Entwickeln einschicken. Fünf Minuten für vierzehn Mark.
    Beim Begräbnis der alten Nazi-Drecksau Hans-Ulrich Rudel, dem einstigen Lieblings-Kampfflieger Adolf Hitlers, hatten laut Spiegel zwei Phantom-Jäger der Bundeswehr am Himmel eine sich merkwürdig knickende und kreuzende Bahn gezogen, die einem Hakenkreuz nicht unähnlich gewesen sei.
    Wenig später stürzte sich, wie mehrere Augenzeugen übereinstimmend berichten, eine Phantom gezielt in Richtung Dorfkirche hinunter, wackelte beim Anflug andeutungsweise mit den Tragflächen und drehte etwa hundert Meter über Dornhausen jäh nach oben ab.
    Und während der abschließenden Trauerfeierlichkeiten in der Kirche setzten noch einmal zwei Phantoms und ein Starfighter im Tiefflug über die Gemeinde – so nah, daß die Hoheitszeichen der Bundeswehr-Luftwaffe unschwer ausgemacht werden konnten.
    Und für diesen Verein hatte ich mein Leben einsetzen sollen!
    Post aus Erkelenz von Georg Krause.
    Jetzt, wo der große Bundeswehrmist endlich vorbei ist, hab ich ziemlich viel Zeit. Du kannst also vorbeigedüst kommen, wann immer
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