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Alle Tage: Roman (German Edition)

Alle Tage: Roman (German Edition)

Titel: Alle Tage: Roman (German Edition)
Autoren: Terézia Mora
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Fass endgültig den Boden aus!
    Warte, sagte Mercedes. Aber die andere machte das nicht mehr mit. Ich bin fertig mit dir, dämliches Weibchen, du gehst mir schon die ganze Zeit auf die Nerven, in Wahrheit konnte ich dich noch nie besonders leiden! Sagte Tatjana, nicht ganz mit diesen Worten, und stürmte aus dem Café.
    Alles in Ordnung? fragte der Kellner.
    Alles in Ordnung, sagte Mercedes und zahlte für beide.

    Danach passierte nicht mehr so viel. Ein Arbeiter aus G. fand das Portemonnaie mit dem Foto seiner Geliebten wieder, das er vor zweiundzwanzig Jahren verloren hatte, unter den Dielen eines Büros, beim Abriss einer Fabrik, in der er damals gearbeitet hatte. Ein Mann und eine Frau, die sich über Jahre als Kontrolleure der Einwanderungsbehörde, wahlweise als Mitarbeiter der Jugendfürsorge ausgegeben hatten, wurden verhaftet. Bei einem Fußballspiel in einem kleinen Dorf in V. stahlen zwei Männer mitten im Spiel den Ball. Rannten mit ihm durch die schattenlosen Straßen ihres Dorfes, warfen sich lachend den Ball zu, sich den Ball zuwerfend und lachend, rannten sie bis zu sich nach Hause, wo sie von der wütenden Menge eingeholt und totgeschlagen wurden. Ein Radio-DJ in S. wurde erschossen, weil er sich weigerte, einen Musikwunsch zu erfüllen, ein Achtzehnjähriger schnitt sich im Engelstrompetenrausch Penis und Zunge ab und Konstantin T. wurde beim Versuch, sich einen gefälschten Ausweis zu kaufen, ertappt. Die letzte Nacht vor seiner Abschiebung verbrachte er auf einem Küchenstuhl in Handschellen: Man hatte ihm den Mund zugeklebt, weil er nicht aufhören wollte zu klagen, er weinte erstickt, der Rotz füllte langsam seine Nase aus.
    Am Morgen darauf, einem Freitag, nahm Abel seinen Mantel und ging hinaus. Die Tür der Klapsmühle stand offen, aber es hing immer noch der Zettel dran: Bis auf weiteres geschlossen.
    Wie lange noch?
    Thanos zuckte mit den Achseln. Willst du was trinken? Klar wie Wasser, sagte er, während er einschenkte.
    Abel nahm einen Schluck, merkte, dass er sofort betrunken wurde, und ließ den Rest stehen.
    Soso, sagte Thanos. Soso. Kann ich vielleicht sonst was für dich tun?
    Abel ging zu Thanos, meinem väterlichen Freund und Gönner, um ihn ein letztes Mal um Geld zu bitten. Ich habe letzte Woche versäumt, die Wunde an meinem Fuß zu heilen, und jetzt ist mir zusammen mit den anderen, um die es mir nicht sonderlich Leid tut, auch diese Fähigkeit abhanden gekommen, sag das nicht, sag einfach, du müsstest zum Arzt und hättest leider keine Versicherung. Notfalls könnte man, auch wenn es etwas billig ist, erwähnen, dass man sich die Verletzung hier eingehandelt und das Geld hier verloren habe, aber das zu sagen wurde schließlich nicht nötig.
    Reicht das? Gute Besserung.

    Kein anderer wäre, aber er ist nach so einer Behandlung, immerhin neun Stiche, zu Fuß gegangen. Zum einen wirkte die Betäubung, und zwar so, als hätte er keinen rechten Fuß, sondern eine Wolke an der Stelle. Und zum anderen wollte er einfach sehen, ob er es schaffen konnte. Ob er es, wie er annahm, ohne sich zu verirren, zu der nur wenige Straßen entfernten Meldestelle schaffen konnte, sich endlich die Ersatzpapiere besorgen, und anschließend zur Bank. Zu beidem kam es nicht mehr.

    Sie waren die Einzigen auf dem kleinen Spielplatz, kein Park, nur ein wüstes Stück Dreieck sogenannte Grünfläche, wo was übrig geblieben war am spitzwinkligen Zusammentreffen zweier Gassen. Einer saß am verrotteten Rand des Sandkastens, zeichnete in den Sand, drei hockten auf der sich quietschend drehenden Holzscheibe, zwei hingen am Klettergerüst, Bimm, Bamm, wie zwei Klöppel. Sie spielten stumm und ernsthaft, drehten sich, zeichneten, baumelten und behielten ihn im Auge. Im Grunde konnte man schon wissen, früher hätte er es gewusst, dass das nicht gut ausgehen würde. Er machte nichts, sie machten nichts, trotzdem war es klar. Sie hatten sich von kleinen Autoradiodieben zu schweren Jungs entwickelt, im letzten Winter haben sie einen Penner angezündet. Der Mann in Schwarz zog an den beiden Schaukelnden vorbei, quer über die Grünfläche auf die Scheibe zu. Die auf ihr saßen, pressten die Sohlen auf den Beton, die Scheibe blieb quietschend stehen. Er trat einen Schritt beiseite, um vielleicht doch noch an ihnen vorbeizugehen, verlagerte damit das Gewicht auf den verletzten Fuß, von wegen Wolke, er knickte ein vor Schmerz. Die frische Naht riss auf, Feuchtes begann in seinen Schuh zu sickern.
    Hoppla, sagte
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