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Alle sieben Wellen

Titel: Alle sieben Wellen
Autoren: Daniel Glattauer
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bei mir. Und ich kann nicht bei ihr sein, wenn sie nicht bei mir ist. Verstehst du das, Emmi? Ich kann nicht immer nur Frauen lieben, die nicht bei mir sind, wenn ich bei ihnen bin, wenn ich sie liebe. London? Wie war London? Ja, wie war London? Fünf Tage Stillen der aufgestauten Sehnsucht, sechs Tage Angst vor der Sehnsucht danach. Das war London. Pamela will zu mir ziehen. Nenne sie »Pam«, du darfst sie ruhig »Pam« nennen. Nur du darfst das! Pamela will zu mir ziehen. Sie will mit mir leben. Sie will es, aber tut sie es? Ich kann nicht immer vom Wollen einer Frau leben, die ich liebe. Ich will mit der Frau leben, die ich liebe. Leben und lieben, beides gleichzeitig. Nie eines ohne das andere. Betrunken oder einsam sein, nie beides gleichzeitig. Immer eines ohne das andere. Verstehst du, was ich meine, Emmi?
    Warte ein bisschen, ich schenke mir noch ein Glas ein. Rotwein, Bordeaux, die zweite Flasche, schmeckt nach Emmi, wie immer. Erinnerst du dich? Weißt du, Emmi, du bist die Einzige. Du bist die Einzige, die Einzige, die Einzige, die ... Es ist schwer zu formulieren. Ich bin schon ein bisschen betrunken. Du bistdie Einzige, die mir nah ist, auch wenn sie nicht bei mir ist, denn ich bin auch bei ihr, wenn sie nicht bei mir ist. Und dann muss ich dir noch etwas verraten, Emmi. Nein, ich tue es nicht, du hast Familie. Du hast einen Mann, der dich liebt. Du hast damals die Kurve gekratzt. Du hast dich für ihn entschieden, du hast dich richtig entschieden. Du glaubst vielleicht, dass dir etwas fehlt. Aber dir fehlt nichts. Du hast beides, leben und lieben. Ich hab auch beides: einsam sein und betrunken sein. Schwerer Fehler.
    Aber ich verrate es dir. Ich habe mich so gezwungen, so sehr gezwungen, ich wollte nicht, dass du mir gefällst. Ich wollte es nicht. Ich wollte nicht, dass du mir nicht gefällst, und ich wollte nicht, dass du mir gefällst. Ich wollte gar nichts. Ich wollte dich nicht sehen. Denn wozu? Du hast Bernhard und die Kinder. Und ich habe Pamela. Und wenn sie nicht da ist, dann habe ich Bordeaux. Aber jetzt verrate ich dir etwas: Du hast ein wunderschönes, zum Beispiel ein wunderschönes Gesicht. Du schaust viel unschuldiger aus, als du schreibst. Nein, du schreibst nicht schuldig, aber du schreibst manchmal sehr hart, hart an der Grenze zu dir. Doch dein Gesicht ist weich. Und schön. Und ich weiß nicht, ob du glücklich bist. Ich weiß es nicht, ich weiß es nicht, ich weiß es nicht. Aber du musst es sein. Du kannst leben und lieben, beides gleichzeitig. Ich bin einsam und mir ist schlecht. Und was hab ich von Pamela, wenn sie so weit weg ist, dass ich aufhöre zu spüren, dass sie bei mir ist? Verstehst du mich? Ich gehe schlafen. Aber eines muss ich dir verraten: Gestern habe ich von dir geträumt, und ich habe dein wirkliches Gesicht gesehen. Dein Busen ist mir egal, großer Busen, kleiner Busen, mittlerer Busen, ganz egal. Aber nicht deine Augen und nicht dein Mund. Und auch nicht deine Nase. Wie du mich angesehen hast und angesprochen und angerochen. Das ist mir nicht egal. Und jedes Wort, das du mir schreibst, ist jetzt dein Geruch und dein Blick und dein Mund sowieso. Ich gehe jetzt schlafen. Ich schick dir die E-Mail, und dann gehe ich schlafen. Ich hoffe, ich erwische dierichtige Taste. Du bist mir so nah, ich küsse dich. Und jetzt gehe ich schlafen. Wo ist die Taste?
     
    Fünf Minuten später
    Betreff: Ich hab dir geschrieben
    Liebe Emmi, ich habe dir eine E-Mail geschickt. Ich hoffe, du hast sie bekommen. Nein, ich hoffe, du hast sie nicht bekommen. Oder doch. Ist ja egal, es ist, wie es ist, ob du es liest oder nicht. Und jetzt gehe ich schlafen. Ich bin ein bisschen betrunken.
     
    Am nächsten Abend
    Betreff: Du Lieber!
    Lieber Leo, ich habe gestern Nacht Post von dir bekommen. Weißt du das? Hast du sie heute schon gelesen? Hast du sie noch gespeichert? Wenn nicht, dann schicke ich sie dir. Du bist ein lieber Mann!! Du solltest dich öfter betrinken. Wenn du betrunken bist, dann bist du so, so, so – zweisam. Emmi.
     
    Eine Stunde später
    AW:
    Danke, Emmi. Ich habe gleich in der Früh mit schwerem Kopf und flauem Magen in Erfahrung gebracht, was ich dir im Rausch zuteilwerden habe lassen. Und Emmi, »soll ich dir etwas verraten«? – Ich geniere mich seltsamerweise nicht dafür. Ich bin sogar irgendwie erleichtert. Ich habe Dinge ausgesprochen, die ich lange mit mir herumgetragen habe. Ich bin froh, dass sie jetzt raus sind. Und soll ich dir noch etwas verraten? – Ich
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