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Alle Familien sind verkorkst

Alle Familien sind verkorkst

Titel: Alle Familien sind verkorkst
Autoren: Douglas Coupland
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schwanger? Wieso weiß ich von all dem nichts?«
    »Ich hab sie auch erst letzte Woche kennen gelernt. Sie scheint mich recht gern zu mögen, während sie jeden sonst wie Dreck behandelt. Also - eigentlich hab ich gar nichts gegen sie.«
    »Bryan hat echt einen Knall. Ich kann mich garantiert nicht beherrschen - wenn sie mir sagt, wie sie heißt, meine ich.«
    Janet sagte: »Shw!«
    Sarah kicherte.
    »Shw! Shw! Shw!«
    Sarah lachte. »Ist sie hübsch?«
    »In gewisser Weise schon. Außerdem ist sie ungefähr achtzehn und ziemlich launisch. In den Fünfzigern hätten wir sie als hysterischen Backfisch bezeichnet. Heute würde man sagen, sie leidet an einer Schilddrüsenüberfunktion. Sie hat Glubschaugen.«
    »Wo haben sie sich kennen gelernt?«
    »In Seattle. Sie hat Bryan geholfen, einen Stapel pastellfarbener Waffelmuster-T-Shirts bei GAP - glaube ich - anzuzünden, damals während der Proteste gegen die Welthandelsorganisation. Sie wurden getrennt, und dann haben sie sich vor ein paar Monaten bei der Zerstörung eines Versuchslabors zur Züchtung genetisch modifizierter Stangenbohnen wieder getroffen.«
    Janet konnte spüren, wie Sarah umschaltete; das Gespräch über Familienangelegenheiten war für sie beendet. Jetzt würde sie zum geschäftlichen Teil übergehen: »Tja, schön für Bryan. Bist du fit genug für den NASA-Empfang heute ...?«
    »Noch.«
    »Howie holt dich um halb zehn ab und danach meinen lieben Bruder. Übrigens - Dad ist pleite.«
    »Das überrascht mich nicht. Er hat seinen Job verloren, hab ich gehört.«
    »Ich wollte ihm Geld leihen, aber er hat natürlich nein gesagt. Nicht, dass es viel zu verleihen gäbe. Howie hat den Großteil unserer Ersparnisse durch irgendeine Website verloren, die Produkte für Haustiere verkauft. Ich könnte ihn erwürgen.«
    . »Ach je.« Wie leicht es ist, ins Bemuttern zu verfallen. »Kannst du wohl sagen. He, wann hast du Dad überhaupt das letzte Mal gesehen?«
    »Vor einem halben Jahr. Per Zufall im Supermarkt.«
    »War's unangenehm?«
    »Ich weiß ihn zu nehmen.«
    »Gut. Bis später.«
    »Ja, Schatz.«
    Klick.
    Auf dem Plattenweg vor ihrem Zimmer hörte Janet Kinder greinen, die mit ihren Familien zu Disney World aufbrachen. Über einen Fußboden, der durch unzählige Zigaretten-Brandlöcher und diverse Flecken, die man besser nicht genauer untersuchte, aussah wie die Mondoberfläche, ging sie ins Badezimmer. Sie musste an Serienkiller denken, die die Zähne und Kieferknochen ihrer Opfer mit Säure auflösten.
    Ihr Blick fiel unvermutet in einen mannshohen Spiegel neben dem Waschbecken, und der Anblick ließ sie abrupt stehen bleiben. Ja, Janet, ganz richtig: Du schrumpfst - Sehne für Sehne, Eiweißmolekül für Eiweißmolekül verwandelst du dich einen ... einen kleinen Kobold, ja, du, Janet Drummond, die früher einmal zum »Mädchen, für das wir eine Bank ausrauben würden« gewählt worden ist.
    Sie war wie hypnotisiert von ihrem Spiegelbild in dem blauen Nachthemd. Es war, als wäre sie wieder jung und dieses Bild würde ihr als Warnung aus der Zukunft geschickt Wenn ich die Augen zusammenkneife, kann ich immer noch die kühle, blitzsaubere Hausfrau sehen, die ich früher so gern werden wollte. Ich bin Elizabeth Montgomery in Verliebt in eine Hexe. Ich bin Dina Merrill, die mit Christina Ford im Museum of Modern Art zu Mittag isst.
    Ach, vergiss es. Sie pinkelte, duschte, trocknete sich ab und modifizierte dann, so weit es ging, die Spuren der Zeit in ihrem Gesicht.
    Na also. So schlimm sehe ich auch wieder nicht aus. 'Womöglich gibt es immer noch Männer, die eine Bank für mich ausrauben würden, und dann und wann flirtet noch einer mit mir - nicht allzu häufig — und vielleicht eher einer älteren Jahrgangs -, aber der Ausdruck in den Augen verändert sich nie.
    Sie zog sich an, und fünf Minuten später saß sie einen Block weiter in einem Denny's-Diner und las Zeitung. Die nordamerikanische Wetterkarte auf der letzten Seite war von einem satten, ungesunden Scharlachrot, nur ein schmaler Streifen kühlen Grüns verlief an der Küste entlang von Seattle nach Alaska. Die Sonne, die vor dem Restaurantfenster auf den Parkplatz knallte, verlieh dem Ganzen die Aura eines Physikexperiments. Sie stellte fest, dass das Wetter sie nicht mehr interessierte. Zum nächsten Punkt.
    Zurück in ihrem Motelzimmer, legte sie sich aufs Bett, in dem tausend Geschlechtsakte spukten. Na gut - diese Absteige ist zwar das Letzte, aber wenigstens werfe ich kein Geld
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