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Alissa 4 - Die letzte Wahrheit

Alissa 4 - Die letzte Wahrheit

Titel: Alissa 4 - Die letzte Wahrheit
Autoren: Dawn Cook
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grauen Schatten trüben würde. Er war sicher, dass Strell die Last des Fluchs tausend Jahre lang tragen würde, um bis zum Ende mit Alissa zusammen zu sein, statt der lächerlichen dreihundert Jahre, die Lodesh ihn ertragen hatte. Strell würde leiden, aber Alissa würde glücklich sein.
    Lodesh hob den Kopf und war beinahe schockiert, als er sah, dass die Sonne noch immer freundlich schien. Sein Kiefer war verspannt, und sein Nacken schmerzte. Sein Verstand drängte ihn, aufzustehen und fortzugehen, ehe er es tatsächlich tun konnte: Sollte Strell sie doch eine Weile haben, und dann würde Lodesh mit dem zufrieden sein, was sie ihm noch geben konnte. Aber Alissa … Alissa würde weinen, wenn Lodesh es nicht sah. Der Verlust würde ihre Tage prägen und sie verfolgen, bis sie nur noch ein Schatten der Frau war, die er liebte. Um Alissas willen würde er Strell seinen Fluch auferlegen.
    Traurig schloss er die Augen und forschte in seinen Gefühlen, wie er Strell den Fluch übergeben konnte. Er war in Verzweiflung und Trauer auf ihn gelegt worden, und er würde dieselben Gefühle benutzen müssen, um ihn an Strell weiterzureichen.
    Lodesh wurde kalt, und er konnte die starke Morgensonne nicht mehr spüren. Die Erinnerung an den bitteren Geschmack der Asche verbrennender Leiber kratzte in seiner Kehle. Er schloss die Augen und versetzte sich zurück an jenen Tag, als er auf seiner verfluchten Mauer gestanden und weinend zugesehen hatte, wie Kally gestorben war, und später, wie Ren seine Scham und Trauer auf Lodesh geschleudert hatte. Dies, dachte er. Dies wird mein Geschenk an dich sein, Strell.
    Berauschend stark durchströmten ihn all die Gefühle von damals. Ihm stockte der Atem, so machtvoll waren sie, und als er ausatmete, befahl er dem Fluch, ihn zu verlassen und auf Strell überzugehen.
    Er spürte, wie der Fluch sich ruckartig löste, und schnappte nach Luft, als Schmerz sein Herz verkrampfte. Lodesh riss die Augen auf, und er musste sich auf dem Deck abstützen. Er hielt den Atem an, als ihn eine köstliche Qual durchfuhr. Der Fluch wurde von ihm abgeschält wie Schorf von einer Wunde, und dreihundert Jahre der Schuld lösten sich von seiner Seele.
    Ein klarer Strahl der Unschuld fiel tief in ihn hinein, kalt an dem bloßgelegten Stück seiner Seele. Er fühlte sich schwer verwundet, wie zerrissen, und starrte blicklos vor sich hin. So geisterhaft wie eine Taube im Regen war seine Schuld – fort.
    Langsam löste sich das enge Band um seine Brust. Langsam kam Lodesh wieder zu sich. Schweiß rann ihm übers Gesicht, und er starrte Strell an.
    Der Mann war erwacht, als der Fluch, der eine ganze Stadt treffen sollte, auf ihn fiel. Seine Augen waren weit aufgerissen, der Mund ebenfalls, er streckte die Hände aus und rang nach Luft. »Es wird leichter«, keuchte Lodesh heiser und legte dem Mann eine zitternde Hand auf die Schulter. Dann ließ er die Hand sinken. »Nein. Das ist gelogen. Es wird nie leichter, aber du wirst lernen, die Last so zu tragen, dass sie nicht alles verdirbt, was du tust.«
    »Was …«, japste Strell mit vor Schmerz verzerrtem Gesicht. »Was hast du mir angetan?« Begreifen, schwarz und zornig, trat in seinen Blick. »Du aschebedeckter, verderbter Sohn einer –«
    »Nein«, unterbrach ihn Lodesh. Er schlug die Augen nieder und wusste, dass er die aufwallende, bittersüße Freude dennoch nicht verbergen konnte. Er war weg. Sein Fluch war fort, und er war frei. Kummer mischte sich in seine Freude, als er plötzlich wusste, wie Sati sich gefühlt haben musste. Sati, dachte er, und sein Blick wurde entrückt. Er hatte sie bis jetzt nie ganz verstanden. Er hatte auch sie geliebt, und er hatte sie beinahe getötet. Alissa jedoch … Alissa würde leben. Alissa würde lieben.
    »Ich bekomme keine Luft«, sagte Strell und schlug die Hände vors Gesicht. »Ich kann nicht mehr denken.«
    »Das wird bald wieder.« Lodesh erhob sich und taumelte zur Reling. Ihm war übel. Er konnte Strell nicht ansehen und starrte auf das vom letzten Nebel flach überzogene Wasser hinaus. In Gedanken wandte er sich einer Erinnerung an Sati zu, Sati im Mondlicht, mit blitzenden, lachenden Augen, die leise kicherte und die Wachen der Zitadelle mit Löwenzahn bewarf. Er hatte versucht, sie zu lieben, obwohl sie immer wieder und wieder seinen Tod sah. Würde sie sich an der Tafel des Navigators daran erinnern? Hatte sie auf ihn gewartet?
    Er hörte ein Geräusch hinter sich, drehte sich um und sah, dass Strell
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