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Alien Earth - Phase 1

Titel: Alien Earth - Phase 1
Autoren: Frank Borsch
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Moment lang stand Rudi noch, sah seinem Engel in die großen Augen, die eigenen Augen mehr vor Überraschung als vor Schmerz geweitet, dann knickte er weg.
    Rudis Nacht war zu Ende.

    »Verpisst euch!«
     
    - An das Alienschiff gerichtete Funkbotschaft.
Gesendet in 578 Sprachen (Stand: 1.1.2065)

KAPITEL 3
    Katzen.
    Säckeweise Katzen.
    Wieselflink stand mit Fleischberg an der Rampe und sah dem Dicken zu, wie er eine der Zigaretten paffte, die unfehlbar ihren Weg in die Fabrik fanden, als existierten weder Zäune noch Stacheldraht.
    »Mist, sind zu früh dran!« Das automatische Innentor der Schleuse öffnete sich quietschend. Fleischberg zog noch einmal an der Kippe, ließ sie beiläufig fallen, als handle es sich um ein unschuldiges Kaugummipapier, und setzte den bloßen Fuß darauf. »Ist doch reine Schikane. Als wenn die blöden Viecher es eilig hätten!« Dem Dicken war nichts von der glühenden Kippe unter der Sohle anzumerken, gewöhnlicher Schmerz schien ihm nichts anhaben zu können.
    Der Laster rollte durch das Tor, ein ausrangierter Müll-LKW mit der Aufschrift TIERHEIM KASSEL-WEST. Die Fahrerkabine war leer, dennoch behielt Fleischberg den Fuß auf der Kippe. Die Nomaden hatten das interne Überwachungssystem der Fabrik im Lauf der Monate penetriert, sich Freiräume geschaffen, in denen sie unbeobachtet blieben, darunter die Rampe. Die Steuerung des Lasters entzog sich ihrem Zugriff. Sie war unmodifiziert. Jeden Augenblick würden die beiden Männer in den Erfassungsbereich der Kameras des Lasters geraten.
    Der Laster kam heran, schlug ein und setzte zurück.
    »Scheiße, die Mistkarre kenn ich!«, rief Fleischberg über das hupende Warnsignal des Lasters für die Rückwärtsfahrt hinweg. »Die Hydraulik ist hin, schon seit Wochen. Wetten, die Schweine haben sie immer noch nicht repariert?«

    Wieselflink sagte nichts. Er sagte nie etwas auf Fleischbergs Geschimpfe. Es wäre sinnlos gewesen - und außerdem stellte sein Schweigen die Basis ihres Arrangements dar. Er und Fleischberg bildeten ihr eigenes Pack. Fleischberg schimpfte, fluchte und beklagte sich. Wenn ihm beim Zerteilen das Messer abrutschte - was öfters vorkam, weil sie ohne Ausnahme stumpf waren -, wenn er sich über die Füße pinkelte - was öfters vorkam, weil sein Bauch ihn daran hinderte zu sehen, wohin er zielte - oder wenn ihm gerade danach war - was öfters vorkam, weil Fleischberg nie zufrieden war, außer vielleicht, wenn er sich gerade den Wanst vollgeschlagen hatte.
    Und Wieselflink schwieg.
    Es war kein übles Pack. Fleischberg war kein schlechter Mensch, niemand, der wie viele andere Bahnnomaden Geschmack daran gefunden hatte, der Welt die Grausamkeiten zurückzuzahlen, die man ihnen angetan hatte. Fleischberg wollte nur in Ruhe gelassen werden, sich so wenig wie möglich bewegen, schimpfen und jemanden haben, der zumindest den Anschein gab, seinem Geschimpfe zuzuhören.
    Andere hielten für den Schutz eines Packs den Hintern hin, Wieselflink die Ohren. Und das mit der beharrlichen Ausdauer, die er sich in seinem vorherigen Leben angeeignet hatte, in dem er Worte wie »Scheiße« nur in Filmen gehört hatte. Ihr Zweierpack hielt sich seit Monaten, seit man Wieselflink mit einer Hand voll anderer Nomaden aus ihrem Zug geholt und in der Fabrik abgeladen hatte. Ersatz für Leute, die nicht mit Messern, Beilen und Knochensägen hatten umgehen können oder nicht hingesehen hatten, wohin sie den Fuß setzten, und herausgefallen waren. Aus dem Leben an sich oder aus der Arbeitsfähigendatei des Ministeriums. Wieselflink wusste nicht, ob es einen großen Unterschied machte: Beide Gruppen wurden von den Bahnpolizisten abgeholt, und man hörte nicht mehr von ihnen.
    Monate - eine halbe Ewigkeit nach den Begriffen der Nomaden, die selten lange an einem Ort oder in einem Zug blieben. Zu lange, wie es Wieselflink dämmerte. Auch Ohren hatten
Grenzen. Es war Zeit, sich von Fleischberg zu trennen, bevor er die Beherrschung verlor und den furchtbaren Zorn des Dicken auf sich zog. Noch fehlte die passende Gelegenheit, aber die würde sich finden. Wieselflink gab viel darauf, eine feine Nase für die Gelegenheiten des Lebens zu haben. Flink zu sein war wichtig. Zu rennen, wenn es darauf ankam, war wichtig. Aber wichtiger noch war es, rechtzeitig loszurennen. Und in die richtige Richtung. Er musste nur herauskommen. Sobald es ihm gelungen war, Kontakt zu seinen alten Freunden aufzunehmen, würde sich alles Übrige für ihn ergeben.
    Bis dahin …
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