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Alice im Wunderland

Alice im Wunderland

Titel: Alice im Wunderland
Autoren: L Carroll
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durchaus nicht gern, daß sie ihr so nahe kam: erstens, weil die Herzogin sehr häßlich war, und zweitens, weil sie gerade groß genug war, um ihr Kinn auf Alice's Schultern zu stützen, und es war ein unangenehm spitzes Kinn. Da sie aber nicht gern unhöflich sein wollte, so ertrug sie es, so gut sie konnte.
     
    »Das Spiel ist jetzt besser im Gange,« sagte sie, um die Unterhaltung fortzuführen.
     
    »So ist es,« sagte die Herzogin, »und die Moral davon ist – Mit Liebe und Gesange hält man die Welt im Gange!«
     
    »Wer sagte denn,« flüsterte Alice, »es geschehe dadurch, daß Jeder vor seiner Thüre fege.«
     
    »Ah, sehr gut, das bedeutet ungefähr dasselbe,« sagte die Herzogin, und indem sie ihr spitzes kleines Kinn in Alice's Schulter einbohrte, fügte sie hinzu »und die Moral davon ist – So viel Köpfe, so viel Sinne.«
     
    »Wie gern sie die Moral von Allem findet!« dachte Alice bei sich.
     
    »Du wunderst dich wahrscheinlich, warum ich meinen Arm nicht um deinen Hals lege,« sagte die Herzogin nach einer Pause; »die Wahrheit zu gestehen, ich traue der Laune deines Flamingos nicht ganz. Soll ich es versuchen?«
     
    »Er könnte beißen,« erwiederte Alice weislich, da sie sich keineswegs danach sehnte, das Experiment zu versuchen.
     
    »Sehr wahr,« sagte die Herzogin, »Flamingos und Senf beißen beide. Und die Moral davon ist: Gleich und Gleich gesellt sich gern.«
     
    »Aber der Flamingo ist ja ein Vogel und Senf ist kein Vogel,« wandte Alice ein.
     
    »Ganz recht, wie immer,« sagte die Herzogin, »wie deutlich du Alles ausdrücken kannst.«
     
    »Es ist, glaube ich, ein Mineral,« sagte Alice.
     
    »Versteht sich,« sagte die Herzogin, die Allem, was Alice sagte, beizustimmen schien, »in dem großen Senf-Bergwerk hier in der Gegend sind ganz vorzüglich gute Minen. Und die Moral davon ist, daß wir gute Miene zum bösen Spiel machen müssen.«
     
    »O, ich weiß!« rief Alice aus, die die letzte Bemerkung ganz überhört hatte, »es ist eine Pflanze. Es sieht nicht so aus, aber es ist eine.«
     
    »Ich stimme dir vollkommen bei,« sagte die Herzogin, »und die Moral davon ist: Sei was du zu scheinen wünschest! – oder einfacher ausgedrückt: Bilde dir nie ein verschieden von dem zu sein was Anderen erscheint daß was du warest oder gewesen sein möchtest nicht verschieden von dem war daß was du gewesen warest ihnen erschienen wäre als wäre es verschieden.«
     
    »Ich glaube, ich würde das besser verstehen,« sagte Alice sehr höflich, »wenn ich es aufgeschrieben hätte; ich kann nicht ganz folgen, wenn Sie es sagen.«
     
    »Das ist noch gar nichts dagegen, was ich sagen könnte, wenn ich wollte,« antwortete die Herzogin in selbstzufriedenem Tone.
     
    »Bitte, bemühen Sie sich nicht, es noch länger zu sagen!« sagte Alice.
     
    »O, sprich nicht von Mühe!« sagte die Herzogin, »ich will dir Alles, was ich bis jetzt gesagt habe, schenken.«
     
    »Eine wohlfeile Art Geschenke!« dachte Alice, »ich bin froh, daß man nicht solche Geburtstagsgeschenke macht!«
     
    Aber sie getraute sich nicht, es laut zu sagen.
     
    »Wieder in Gedanken?« fragte die Herzogin und grub ihr spitzes kleines Kinn tiefer ein.
     
    »Ich habe das Recht, in Gedanken zu sein, wenn ich will,« sagte Alice gereizt, denn die Unterhaltung fing an, ihr langweilig zu werden.
     
    »Gerade so viel Recht,« sagte die Herzogin, »wie Ferkel zum Fliegen, und die M –«
     
    Aber, zu Alice's großem Erstaunen stockte hier die Stimme der Herzogin, und zwar mitten in ihrem Lieblingsworte »Moral«, und der Arm, der in dem ihrigen ruhte, fing an zu zittern. Alice sah auf, und da stand die Königin vor ihnen, mit über der Brust gekreuzten Armen, schwarzblickend wie ein Gewitter.
     
    »Ein schöner Tag, Majestät!« fing die Herzogin mit leiser schwacher Stimme an.
     
    »Ich will Sie schön gewarnt haben,« schrie die Königin und stampfte dabei mit dem Fuße: »Fort augenblicklich, entweder mit Ihnen oder mit Ihrem Kopfe! Wählen Sie!«
     
    Die Herzogin wählte und verschwand eilig.
     

     
    »Wir wollen weiter spielen,« sagte die Königin zu Alice, und diese, viel zu erschrocken, ein Wort zu erwiedern, folgte ihr langsam nach dem Croquet-Felde.
     
    Die übrigen Gäste hatten die Abwesenheit der Königin benutzt, um im Schatten auszuruhen; sobald sie sie jedoch kommen sahen, eilten sie augenblicklich zum Spiele zurück, indem die Königin einfach bemerkte, daß eine Minute Verzug ihnen das
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