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Alice im Wunderland

Alice im Wunderland

Titel: Alice im Wunderland
Autoren: L Carroll
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Leben kosten würde.
     
    Die ganze Zeit, wo sie spielten, hörte die Königin nicht auf, mit den andern Spielern zu zanken und zu schreien: »Schlagt ihm den Kopf ab!« oder: »Schlagt ihr den Kopf ab!« Diejenigen, welche sie verurtheilt hatte, wurden von den Soldaten in Verwahrsam geführt, die natürlich dann aufhören mußten, die Bogen zu bilden, so daß nach ungefähr einer halben Stunde keine Bogen mehr übrig waren, und alle Spieler, außer dem Könige, der Königin und Alice, in Verwahrsam und zum Tode verurtheilt waren.
     
    Da hörte die Königin, ganz außer Athem, auf und sagte zu Alice: »Hast du die Falsche Schildkröte schon gesehen?«
     
    »Nein,« sagte Alice. »Ich weiß nicht einmal, was eine Falsche Schildkröte ist.«
     
    »Es ist das, woraus falsche Schildkrötensuppe gemacht wird,« sagte die Königin.
     
    »Ich habe weder eine gesehen, noch von einer gehört,« sagte Alice.
     
    »Komm schnell,« sagte die Königin, »sie soll dir ihre Geschichte erzählen.«
     
    Als sie mit einander fortgingen, hörte Alice den König leise zu der ganzen Versammlung sagen: »Ihr seid Alle begnadigt!« »Ach, das ist ein Glück!« sagte sie für sich, denn sie war über die vielen Enthauptungen, welche die Königin angeordnet hatte, ganz außer sich gewesen.
     
    Sie kamen bald zu einem Greifen, der in der Sonne lag und schlief. »Auf, du Faulpelz,« sagte die Königin, »und bringe dies kleine Fräulein zu der falschen Schildkröte, sie möchte gern ihre Geschichte hören. Ich muß zurück und nach einigen Hinrichtungen sehen, die ich angeordnet habe;« damit ging sie fort und ließ Alice mit dem Greifen allein. Der Anblick des Thieres gefiel Alice nicht recht; aber im Ganzen genommen, dachte sie, würde es eben so sicher sein, bei ihm zu bleiben, als dieser grausamen Königin zu folgen, sie wartete also.
     

     
    Der Greif richtete sich auf und rieb sich die Augen: darauf sah er der Königin nach, bis sie verschwunden war; dann schüttelte er sich. »Ein köstlicher Spaß!« sagte der Greif, halb zu sich selbst, halb zu Alice.
     
    »Was ist ein Spaß?« frage Alice.
     
    »Sie,« sagte der Greif. »Es ist Alles ihre Einbildung, das: Niemand wird niemals nicht hingerichtet. Komm schnell.«
     
    »Jeder sagt hier, komm schnell,« dachte Alice, indem sie ihm langsam nachging, »so viel bin ich in meinem Leben nicht hin und her kommandirt worden, nein, in meinem ganzen Leben nicht!«
     
    Sie brauchten nicht weit zu gehen, als sie schon die falsche Schildkröte in der Entfernung sahen, wie sie einsam und traurig auf einem Felsenriffe saß; und als sie näher kamen, hörte Alice sie seufzen, als ob ihr das Herz brechen wollte. Sie bedauerte sie herzlich. »Was für einen Kummer hat sie?« fragte sie den Greifen, und der Greif antwortete, fast in denselben Worten wie zuvor: »Es ist Alles ihre Einbildung, das; sie hat keinen Kummer nicht. Komm schnell!«
     
    Sie gingen also an die falsche Schildkröte heran, die sie mit thränenschweren Augen anblickte, aber nichts sagte.
     
    »Die kleine Mamsell hier,« sprach der Greif, »sie sagt, sie möchte gern deine Geschichte wissen, sagt sie.«
     
    »Ich will sie ihr erzählen,« sprach die falsche Schildkröte mit tiefer, hohler Stimme; »setzt euch beide her und sprecht kein Wort, bis ich fertig bin.«
     
    Gut, sie setzten sich hin und Keiner sprach mehre Minuten lang. Alice dachte bei sich: »Ich begreife nicht, wie sie je fertig werden kann, wenn sie nicht anfängt.« Aber sie wartete geduldig.
     
    »Einst,« sagte die falsche Schildkröte endlich mit einem tiefen Seufzer, »war ich eine wirkliche Schildkröte.«
     
    Auf diese Worte folgte ein sehr langes Schweigen, nur hin und wieder unterbrochen durch den Ausruf des Greifen »Hjckrrh!« und durch das heftige Schluchzen der falschen Schildkröte. Alice wäre beinah aufgestanden und hätte gesagt: »Danke sehr für die interessante Geschichte!« aber sie konnte nicht umhin zu denken, daß doch noch etwas kommen müsse; daher blieb sie sitzen und sagte nichts.
     
    »Als wir klein waren,« sprach die falsche Schildkröte endlich weiter, und zwar ruhiger, obgleich sie noch hin und wieder schluchzte, »gingen wir zur Schule in der See. Die Lehrerin war eine alte Schildkröte – wir nannten sie Mamsell Schalthier –«
     
    »Warum nanntet ihr sie Mamsell Schalthier?« fragte Alice.
     
    »Sie schalt hier oder sie schalt da alle Tage, darum,« sagte die falsche Schildkröte ärgerlich; »du bist wirklich
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