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Alice at Wonderland

Alice at Wonderland

Titel: Alice at Wonderland
Autoren: Bunzel Gaw
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>Setz dich doch. Na, das ist ja mal 'n Hammer, haha. Sachen gibt's. Willste auch 'ne Flasche Whisky ?<
    Inhaltlich hat Alex aber begriffen, was ich meinte, und setzt sich. Erstaunt registriere ich, dass sie aus meinem Zischlaut auch herausgehört hat, dass es an der Zeit für was Hochprozentiges ist. Sie bestellt zwei Grappa und lässt mir Zeit, in dieses Universum zurückzukehren,
    bis die Schnäpse auf dem Tisch stehen. Stumm prosten wir uns zu, und bevor mein leeres Glas wieder auf dem Tisch steht, hab ich schon zwei weitere geordert. Dann nehmen wesentliche Teile meines Sprechapparates ihre Funktion wieder auf und produzieren ein lang gezogenes: »Ääh ...«
    »Ist ein ziemlicher Schock für dich, oder?«, fragt sie sanft.
    »Na ja«, und da ist sie wieder, die Sprache, »ich hatte mir ein etwas anderes Bild von dir gemacht.«
    »Etwas männlicher, nehme ich an.« Ihr huscht ein unsi cheres Lächeln über das Gesicht.
    »Etwas«, gebe ich zu.
    Für wenige Augenblicke muss ich mit meinem Schick sal hadern. Das ist wieder typisch Alice. So was kann nur mir passieren. Ich meine, das Maß der Enttäuschung hängt letztlich davon ab, in welche Höhen man seine Erwartungen geschraubt hat. Aber selbst wenn man dann auf den unattraktivsten Typen trifft, der nur denkbar ist, so verbleibt doch wenigstens eine theoretische Chance. Man kann sich, einwandfreier Charakter vorausgesetzt, sicher mit der Zeit auch in einen Quasimodo verlieben, wo wir doch immer gerne von den inneren Werten herumtönen. Aber so vollständig hängen gelassen zu werden ist irgend wie unfair. Und davon abgesehen, Peinlichkeits-Pokale hab ich weiß Gott genug gesammelt in den letzten Wo chen. Mein Gott. Alex! Alex wie Alexandra! Da kann man doch auch sofort drauf kommen. Was Naheliegenderes gibt's doch gar nicht. Aber nein, Alice muss natürlich aus vier blöden Buchstaben gleich wieder einen Märchenprinzen basteln. Kaum zeigt mal jemand ein bisschen Ver ständnis, läuft sofort das Höschen heiß. Langsam frage ich mich, wieso ausschließlich Männern unterstellt wird, sie dächten nur mit dem Geschlechtsteil.
    »Sorry«, sagt Alex nach dem zweiten wärmenden Grap pa, »ich hab erst bei deiner letzten Mail gemerkt, dass da
    was, na ja, aus dem Ruder läuft. Und das per E-Mail klären, hab ich irgendwie nicht übers Herz gebracht.«
    »Ist okay, ist ja nicht deine Schuld«, sage ich, »ist mir nur ein bisschen peinlich. Weißt du, du musst ja denken, die hat's aber nötig.«
    »Blödsinn«, entgegnet Alex mit sanftem Tadel, »so, wie wir uns verstanden haben, wär mir das umgekehrt sicher auch passiert. Nur hast du immer mit Alice unterschrie ben, und die Sache war für mich von vornherein klar.«
    Das kommt davon, wenn man sich in eine Idee verliebt statt in einen Menschen, lautet meine späte Erkenntnis. Alex ist auch jetzt wieder das pure Verständnis, und ich fühle, dass ich mich auf eine ganz andere Art in diese Alex verlieben könnte.
    »Eins muss ich unbedingt wissen«, sage ich. »Hast du das Single-Kochbuch verkauft, weil du wieder eine Bezie hung hast?«
    »Nein«, erwidert sie, »leider. Ich habe nur gelernt, ohne Buch zu kochen.«
    Ein kleiner Triumph. »Wusst ich's doch. Beruhigend, dass ich mich wenigstens zu einem kleinen Teil noch auf mein Gefühl verlassen kann.«
    Dann fällt mir siedend heiß auf, dass ich mich mal wie der nur um meinen eigenen Brei herumdrehe.
    »Wie geht's deiner Mutter?«, frage ich.
    »Oh, sie ist übern Berg«, sagt sie, und das klingt ernst haft erleichtert. »Es bleibt wohl auch nichts zurück. Sie hat schon wieder nach Autokatalogen gefragt. Sie braucht ja ein neues.«
    So kann man auch mit dem Leben umgehen. Ein Ren nen verlieren und gleich wieder in die Startlöcher. Alex redet sich ein wenig die Anspannung von der Seele. Sie sei verständlicherweise sehr besorgt um ihre Mutter gewesen, und das scheine sich erst jetzt zu legen. Gleichzeitig fällt ihr auf, dass sie noch nie mit jemandem auf diese Art über ihre Mutter gesprochen hat.
    Keine Viertelstunde später haben wir beide das Gefühl, als würden wir uns Jahre kennen. Diese Form der Ver trautheit, und das fällt mir auf, ist mit einem Mann gar nicht möglich, ja vielleicht nicht einmal wünschenswert. Wäre Alex ein Mann, kämen wir vor lauter gegenseiti gem Verständnis nicht mal in die Nähe der Schlafzimmertür. Vielleicht ist das Dissonante zwischen Männern und Frauen das Entscheidende. Bis zu einem gewissen Maß. Man muss sich ja nicht
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