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Alexander Gerlach - 05 - Echo einer Nacht

Titel: Alexander Gerlach - 05 - Echo einer Nacht
Autoren: Wolfgang Burger
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ihres Fahrrads tickerte leise.
    »Wer hat nach Ihrer Kündigung die Stelle übernommen?«
    »Weiß ich nicht. Nur dass es eine Ausländerin sein soll, hab ich später mal gehört. Eine Illegale, nehm ich an. Da hat die Frau Sander auch noch fein was gespart. Ein bisschen geizig ist sie nämlich auch, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
    Ein voll beladener Kieslaster rumpelte an uns vorbei. Josef sah ihm interessiert nach. Es roch nach Dieselabgasen.
    »Früher ist der Gundi oft bei uns gewesen.« Frau Berger lächelte plötzlich. »Wenn die Frau Sander mal wieder zum Friseur gemusst hat oder das Auto in die Werkstatt. Dann hat sie mich angerufen und gefragt, ob ich den Gundi vom Kindergarten mit heimnehmen könnt und auf ihn aufpassen, bis sie ihn holen kommt.«
    Josefs kleine Hand klebte inzwischen in meiner. Allmählich wurde er müde, wir mäßigten das Tempo. Frau Berger nickte ihm aufmunternd zu.
    »Und wenn sie ihn dann später geholt hat«, fuhr sie in einer Lautstärke fort, dass Josef es nicht hören konnte, »dann hat sich der arme Bub eigentlich nie so richtig gefreut. Der wär viel lieber bei uns geblieben, hab ich oft gedacht. Auch wenn wir kein so tolles Haus haben und nur ein kleines Auto statt zwei große und keinen Fernseher, so groß wie eine halbe Schrankwand.«
    »Der Gundi hat nämlich auch einen eigenen Fernseher im Zimmer.« Offenbar hatte Frau Berger das Gehör ihres Söhnchens unterschätzt. »Und seine Mama hat einen in der Küche!«
    Ich wagte mich noch ein wenig weiter vor: »Hatte Gundram vielleicht manchmal merkwürdige Verletzungen? Blaue Flecken? Kratzer im Gesicht?«
    »Welcher Bub in seinem Alter hat keine Kratzer und Beulen? Sie meinen, ob er Schläge gekriegt hat? Ich … Nein, ich weiß nicht.«
    Der letzte Satz war eine Spur zu zögernd gekommen.
    Bevor wir die Heidelberger Straße überqueren konnten, mussten wir eine Weile warten. Josef hüpfte nervös von einem Fuß auf den anderen. Offenbar musste er mal. Ein wenig Wind war aufgekommen und kühlte mein Gesicht.
    »Frau Berger«, sagte ich sanft, »Ihre ausweichende Antwort bringt mich eher ins Grübeln, als dass sie mich beruhigt.«
    Einige Zeit durchquerten wir schweigend ein Wohnviertel. Es ging um einige Ecken, und bald hatte ich die Orientierung verloren. Dann erreichten wir den südlichen Ortsrand. Vor uns lagen die Umgehungsstraße und jenseits davon umgepflügte Felder. Der Wind roch nach Herbst. Ein Rettungshubschrauber ratterte in geringer Höhe über uns hinweg in Richtung Autobahn und machte eine Unterhaltung für einige Sekunden unmöglich.
    Vor einem schmalen Reihenhaus blieb Frau Berger stehen. Das in den Fünfzigern eilig hochgezogene, zweistöckige Häuschen war frisch gestrichen, und überall standen noch Farbeimer und Gerüstteile herum. Offenbar war man mitten in einer umfassenden Renovierung. Neben der ebenfalls erst kürzlich gestrichenen Eingangstür verblühte ein prächtiger Busch voller lachsfarbener Rosen. Mit routinierten Bewegungen öffnete Josefs Mutter das Garagentor, schob Rad samt Anhänger hinein, wozu mir der Junge aufgeregt etwas erklärte, das ich nicht verstand. Das erbärmlich quietschende Tor wurde geschlossen, verriegelt, der Schlüssel verstaut. Und dann gab es kein Ausweichen mehr.
    Frau Berger sah mir in die Augen. »Mal, da hat er so Striemen auf der Backe gehabt. Vier, hübsch nebeneinander. Von scharfen Fingernägeln, wenn Sie verstehen, was ich meine. Und ein anderes Mal, letztes Jahr ist das gewesen, da war das mit seinem Arm. Er sei mit dem Rad hingefallen, hat’s geheißen.«
    »War der Arm gebrochen?«
    »Direkt gebrochen nicht. Mehr verrenkt. Aber so was kommt ja schon mal vor, bei wilden Kindern.«
    »Gundram ist ein wildes Kind?«
    Sie senkte den Blick, spielte mit dem Saum ihres Pullovers. »Aber nein. Der Gundi ist ein Braver. Trotzdem, jeder kann mal vom Rad fallen, oder nicht?«
    »Sie wissen nicht zufällig, bei welchem Arzt Gundram damals war?«
    »Doch, das kann ich Ihnen sagen. Die Sanders gehen immer zum Professor Schaaf. Der hat seine Praxis in Leimen drüben.« Frau Berger streckte ihrem Söhnchen die Hand hin. »Komm jetzt, Josef. Der Onkel muss gehen.«
    Als ich schon einige Schritte entfernt war, rief sie mir nach: »Der Professor Schaaf sei der teuerste Arzt in der ganzen Kurpfalz, hat mir die Frau Sander mal erklärt.«
    Josef winkte mit der freien linken Hand und strahlte übers ganze Gesicht.
    Ich winkte ebenfalls, und erst in diesem Moment wurde mir
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