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Alex Benedict 01: Die Legende von Christopher Sim

Alex Benedict 01: Die Legende von Christopher Sim

Titel: Alex Benedict 01: Die Legende von Christopher Sim
Autoren: Jack McDevitt
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nächste Äußerung seines Bischofs ab. Chulohn seufzte. »Du hast niemals wirklich den Weg gebilligt, den ich eingeschlagen habe.«
    »Das habe ich nicht gesagt.«
    »Aber deine Augen.« Chulohn lächelte.
    Ein plötzlicher Windstoß fuhr durch die Bäume, und Schneeflocken fielen. »Der erste des Jahres«, erklärte Thasangales.
    Das Tal des hl. Anthony liegt im Hochland des kleineren Kontinents von Albacore. (Manche behaupten, die kleine, kompakte Welt bestünde fast ausschließlich aus Hochland.) Doch in Chulohns Augen war es einer jener Orte, die Gott mit besonderem Bedacht erschaffen hatte, ein zerfurchtes Land der Wälder, des Kalksteins und der schneebedeckten Berge. Der Bischof war in einer ähnlichen Landschaft aufgewachsen, auf dem zerklüfteten Dellaconda, dessen Sonne zu weit entfernt war, als daß man sie von St. Anthony aus sehen könnte.
    Als er nun in dieser uralten Wildnis stand, stellten sich bei ihm Gefühle ein, die er seit dreißig Jahren nicht mehr gekannt hatte. Gedanken an seine Jugend. Warum waren sie um so vieles realer als alles, was danach gekommen war? Wieso hatte er seine frühesten Ambitionen verwirklicht, sie eigentlich sogar noch übertroffen, und hielt nun alles für so unbefriedigend?
    Er zog den Mantel enger, um einen plötzlichen eisigen Luftzug abzuwehren.
    Es war beunruhigend hier, inmitten der kalten stillen Gipfel. Irgendwie, auf eine Art, die er nicht ganz erfassen konnte, forderten sie die warme Behaglichkeit der winzigen Kapelle heraus. Es gab eine Bewegung zu Hause, eine Gruppe von Fanatikern, die behauptete, für Christus zu sprechen, und von ihm verlangte, die Kirchen zu verkaufen und die Erträge unter den Armen zu verteilen. Doch Chulohn, der die dunklen Orte der Welt liebte, weil sie furchterregend waren, vertrat die Meinung, daß Kirchen Zufluchtsorte gegen die einschüchternde Erhabenheit des Allmächtigen seien.
    Er beobachtete, wie der Schneesturm an Macht gewann.
    Mehrere Seminaristen strömten aus dem Refektorium und eilten lautstark zur Sporthalle. Die plötzliche Aktivität riß Chulohn aus seinen Tagträumen. Er warf Thasangales einen Blick zu. »Ist dir kalt?« fragte er.
    »Nein.«
    »Dann sehen wir uns den Rest des Geländes an.«
     
    Es hatte sich kaum etwas verändert, seitdem der Bischof hier zum Priester geweiht worden war: Steingrotten, weitläufige Rasenflächen und graue, nüchterne Kirchengebäude drängten die Jahrzehnte zusammen. Lagen die mitternächtlichen Streifzüge, die dem Bier im Refektorium gegolten hatten, wirklich schon ein halbes Leben zurück? Waren die Beutezüge in Blasinwell und die unschuldigen Schäkereien mit den jungen Frauen hier wirklich schon so lange her? Seit er nackt in Bergweiher gesprungen war? (Mein Gott, wieso spürte er noch immer das köstliche Gefühl der kalten Strömungen in seinen Seiten?)
    Damals war ihm alles so köstlich sündhaft erschienen.
    Die Steinplatten des Weges, nun leicht vom Schnee bedeckt, knirschten angenehm unter ihren Schritten. Chulohn und Thasangales umrundeten die Bibliothek. Ihre Antenne, die auf der Spitze des sich scharf neigenden Dachs montiert war, drehte sich langsam bei der Verfolgung eines Satelliten.
    Die Schneeflocken klebten naß in Chulohns Augen, und er bekam allmählich kalte Füße.
    Die Quartiere der Väter lagen am Ende des Gebäudekomplexes, in sicherer Entfernung von etwaigen Störungen durch Novizen oder Besucher. Sie blieben am Eingang stehen, einer einfachen Metalltür mit abblätternder grüner Farbe, die dazu gebaut war, den Äonen zu widerstehen, und der dies auch zu gelingen drohte. Doch Chulohn schaute in die Ferne, den sanft steigenden Hang hinauf, der das Gelände hinter der Abtei beherrschte. Auf seinem Gipfel, fast unsichtbar im sich zusammenbrauenden Sturm, befanden sich ein Torbogen, ein Eisengitter und mehrere lange Reihen weißer Kreuze.
    Der Ehrenplatz für jene, die in der Gnade beharrt hatten.
    Thasangales hatte die Tür aufgezogen und wartete geduldig, daß der Bischof eintrat.
    »Einen Augenblick«, sagte Chulohn, streifte den Schnee von den Schultern, zog den Kragen um den Hals hoch und sah weiterhin nachdenklich zu dem Hügelkamm hinüber.
    »Cam, es ist kalt.« In Thasangales’ Stimme lag eine Spur von Verwirrung.
    Chulohn deutete durch nichts an, daß er den Einwand vernommen hatte.
    »Ich bin in ein paar Minuten zurück«, sagte er schließlich und ging ohne ein weiteres Wort schnellen Schrittes den Hang hinauf.
    Der Abt ließ die Tür los und
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