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Alejandro Canches 03 - Der Fluch des Medicus

Titel: Alejandro Canches 03 - Der Fluch des Medicus
Autoren: Ann Benson
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den Ohren nach.
    Myra lebt völlig abgeschottet, daher ist sie vielleicht nicht betroffen, aber sie ist allein und sicher verängstigt und …
    Wir sind leichte Beute. Und abgesehen davon, in deinem Zustand müssen wir vorsichtig sein.
    Ich schaffe das schon, Tom.
    »Wir schaffen das schon, Myra«, sagte sie laut.

    »Was schaffen wir?«
    Düsteres Schweigen breitete sich aus, bis Tom sagte: »Wo ist es?«
    Ein heftiger Hustenanfall bahnte sich seinen Weg durch Myras Brust. »Im … Safe.« Sie machte eine Geste, so als wolle sie sie auffordern, ihr zu folgen. »Haltet … Abstand.«
    »Sag uns einfach, wo es ist, wir werden es schon finden.«
    Die gebrechliche Frau schaffte es, Luft zu holen, ohne zu husten. Es schien ihr frische Energie zu geben. »Bitte«, sagte sie, jede Silbe betonend. »Zu wissen, dass ich mit einer Mizwa gehen werde, ist ein Segen.«
    Sie bedeutete Tom und Janie, ihr Platz zu machen, und als sie zur Seite traten, ging sie mit kleinen, offensichtlich qualvollen Schritten an ihnen vorbei. Voller Schrecken wurde Janie klar, wie schwer Myra schon erkrankt war. Sie war immer zierlich gewesen, aber jetzt war sie völlig ausgezehrt. Das bisschen Fleisch, das sie noch auf den Knochen hatte, war von dunkler und faltiger Haut bedeckt.
    Sie führte sie den Hauptgang hinunter eine Flucht von Büros entlang, aus denen sämtliche Möbel und Geräte entfernt worden waren. Früher einmal waren überall in den Gängen hier Kinder herumgeflitzt und hatten sie mit ihrem aufgeregten Geschnatter erfüllt, froh, einen Tag schulfrei zu haben, egal aus welchem Grund. Jetzt, ganz ohne das Lachen, die Lebendigkeit und große Teile der ehemaligen Sammlung, machte das Hebrew Book Depository einen öden, ausgestorbenen Eindruck.
    Myra kämpfte sich weiter, das Ziel schien ihren Schritten ein wenig Kraft zu verleihen, und einen Moment lang nahm Janie in der Stimme der Frau einen Rest des Schneids wahr, den einmal alle an ihr bewundert hatten. »So lange habe ich sie ferngehalten«, sagte sie, als sie weiterschlurfte. »Ich allein. So wie damals in Israel, als ich jung war.« Dann hielt sie jedoch inne und schrumpfte wieder zu der kranken alten Frau zusammen, zu der sie geworden war. »Aber schließlich drangen sie doch
hier ein. Vier Männer. Bengel im Grunde noch. Ich war für ein paar Minuten rausgegangen. Ich hatte mich selbst so über, dass ich einfach hinaus und die Vögel und den Wind hören musste. Nur dieses eine Mal war ich zu faul und sperrte die Tür nicht ab. Sie müssen mich beobachtet haben. Stürmten einfach rein und nahmen sich, was sie wollten.«
    Sie blieb stehen und stützte sich an der Wand ab, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Als sie sich wieder ein wenig erholt hatte, sagte sie: »Einer von ihnen hustete. Das Schwein.«
    Nach ein paar rasselnden Atemzügen deutete sie mit dem Zeigefinger nach vorn. »Hinter der Tür. Geht rein, ich rufe euch die Kombination für den Safe zu. Das Ding sieht aus wie ein Wasserkühler.«
    Tom sah zu Janie und sagte: »Mach du es. Ich bleibe derweil hier.«
    Sie nickte. Nach ein paar Schritten kniete sie vor dem als Wasserkühler getarnten Safe.
    »Ich bin so weit.«
    Janie drehte nach jeder Ziffer den Knopf und kniff die Augen zusammen, um in dem spärlichen Licht etwas sehen zu können. Nach der letzten Umdrehung hörte sie das erhoffte Klacken, als die Zahnräder einrasteten.
    Der Griff ließ sich fast nicht bewegen, nachdem ihn so lange niemand mehr benutzt hatte, und sie musste mit beiden Händen zupacken. In dem Safe befanden sich Bücher und Manuskripte. Sie zog alles heraus und legte den Stapel vor sich auf den Boden. Ungefähr in der Mitte entdeckte sie das vertraute Journal. Einen Moment lang drückte sie es an ihre Brust und schloss die Augen. Obwohl sie es eilig hatten, gestattete sie es sich, für eine Minute den Schatz in ihren Händen zu spüren.
    Mit dem Buch im Arm verließ sie den Raum.
    Wachs tropfte auf Myras Hand, mit der sie die Kerze in die Höhe hielt, aber sie schien es nicht zu merken. »Na also«, sagte sie, »du hast es gefunden, dann ist es ja gut.« Sie bekam einen schlimmen Hustenanfall und musste sich vornüberbeugen.

    Dann sah sie auf und zuckte mit den Schultern. Janie erkannte in ihrem Gesicht das Wissen um das, was sie erwartete.
    »Ich sollte mich wohl wieder ins Bett verkriechen.«
    Myra drehte sich mit der Kerze in der Hand langsam um und schlurfte den Weg zurück. Janie und Tom sahen voller Hilflosigkeit und Schmerz zu, wie
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