Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Alejandro Canches 03 - Der Fluch des Medicus

Titel: Alejandro Canches 03 - Der Fluch des Medicus
Autoren: Ann Benson
Vom Netzwerk:
Arm und deutete nach links.
    Janies Blick folgte seiner ausgestreckten Hand. Es war so dämmrig, dass sämtliche Konturen verschwammen, aber sie erhaschte gerade noch eine Bewegung. Ein Kopf wurde aus einer Türöffnung gesteckt, dann war er auch schon wieder verschwunden.
    »Du bleibst hier«, flüsterte Tom.
    Janie hielt seinen Arm fest. »Wo du hingehst, da will auch ich hingehen - erinnerst du dich?«
    Er wusste, dass es keinen Sinn hatte, ihr zu widersprechen. Leise liefen sie weiter den Gang hinunter, möglichst nah an der Wand, bis sie bei der Tür angelangt waren.
    Tom hielt seine Waffe schussbereit und spähte gerade weit genug in die Türöffnung, um eine schmale, klein gewachsene Gestalt in dem Raum stehen zu sehen.
    »Hallo?«
    Eine krächzende, trotzige Stimme antwortete: »Verzieht euch. Ich habe eine Schusswaffe. Hier gibt’s nichts als alte Bücher, ihr könnt also getrost wieder abhauen.«
    Der Akzent war absolut unverkennbar. »Mein Gott, Myra, ich bin’s, Janie, und Tom …«
    Ein ungläubiges Stöhnen erklang. Mit einem Schritt war Janie in dem Raum, doch sofort rief ihre Freundin aus der alten Zeit: »Halt! Bitte! Komm nicht näher.«
    »Aber warum …«
    »Ich bin krank.«

    Janie und Tom blieben beide unvermittelt stehen. Wie auf Kommando schoben sie sich die Atemmasken, die um ihren Hals hingen, übers Gesicht.
    Ein Streichholz flammte auf, Myra Ross zündete eine Kerze an. Sie hielt sie hoch und beleuchtete ihr Gesicht damit.
    Janie konnte einen Ausruf des Schreckens nicht unterdrücken. Sie machte unwillkürlich einen Schritt nach vorn.
    »Vielleicht kann ich dir helfen …«
    Myra stieß ein bitteres Lachen aus. »So, so, meine liebe ›Tochter‹, die Ärztin … Hast du schon einmal irgendjemandem mit diesem Problem helfen können?«
    Darauf musste Janie nicht antworten. »Seit wann bist du krank?«, fragte sie leise.
    »Seit gestern Abend.«
    Erst ein paar Stunden, und es ging ihr schon so schlecht; dann gehörte sie sicher nicht zu denen, die mehrere Tage überlebten. Sie würde schnell dahingerafft werden.
    Janie wusste, dass das eine Gnade war.
    »Myra, es … es tut mir so leid.«
    »Ja. Mir auch. Nach allem, was ich durchgestanden habe, werde ich jetzt elendiglich krepieren. Das muss man sich mal vorstellen.«
    »Vielleicht kommt es ja nicht so weit«, sagte Janie und sprach damit eine Hoffnung aus, die sie selbst nicht empfand. »Manche Leute erholen sich wieder.«
    »Aber keine alten Frauen«, sagte Myra. »Nein, Maidie, jetzt muss ich dran glauben.« Sie hustete hinter vorgehaltener Hand und wischte den Auswurf an ihrem Hosenbein ab. »Meine Mutter, möge sie in Frieden ruhen, würde mir die Ohren langziehen, wenn sie mich das tun sähe. Aber mir sind nun mal die Taschentücher ausgegangen. Und, ist das ein reiner Höflichkeitsbesuch oder wollt ihr etwas Bestimmtes?«
    Janie und Tom sahen sich an. Schweigend verständigten sie sich darüber, dass ihr Plan, Myra mit zurück ins Camp zu nehmen, hinfällig geworden war. Schließlich sagte Tom: »Wir sind
gekommen, um das Buch zu holen, falls du einverstanden bist, dich davon zu trennen. Du weißt, dass wir gut darauf aufpassen werden.«
    »Einverstanden?« Sie brachte ein Lachen zustande, aber es hörte sich finster und bitter an. »Ich würde hier vor euch auf die Knie sinken und Gott danken, wenn ich wüsste, dass ich wieder hochkäme. Nehmt es mit, ich bitte euch. Ich werde um einiges froher sterben, wenn ich es in guten Händen weiß.« Erneut wurde sie von einem Hustenanfall geschüttelt, einem noch schlimmeren als dem ersten.
    Myra legte eine Hand auf die Brust. »Es … füllt … langsam … meine Lunge«, sagte sie. Zwischen den einzelnen Worten musste sie immer wieder nach Atem ringen. »Ich kann … es inzwischen … regelrecht spüren.«
    Janie verlor jeden Mut und verfluchte sich dafür, dass sie nicht früher gekommen war. Sie ließ sich noch einmal das Gespräch durch den Kopf gehen, das sie und Tom einige Monate zuvor, kurz nach ihrer Hochzeit, geführt hatten.
    Sie könnte bei uns auf dem Berg leben.
    Sie würde nie im Leben ihre Bücher zurücklassen, das weißt du ganz genau.
    Bitte, Tom, ich werde nachts sonst kein Auge mehr zubekommen - sie war wie eine Mutter zu mir.
    Du weißt nicht, was dort draußen auf uns wartet … es sind nicht alle tot.
    Seine Besonnenheit war klug gewesen; das Aufeinandertreffen mit den Leuten, die unter der Brücke lebten, hatte das bewiesen. Aber der Streit klang Janie dennoch in
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher