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Alchemie der Unsterblichkeit

Alchemie der Unsterblichkeit

Titel: Alchemie der Unsterblichkeit
Autoren: K Pflieger
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Ratte, dann würden mir die Sägespäne auch nichts ausmachen.«
    Nachdem Maleficium aufgefressen hatte, krabbelte er an Icherios Beinen herunter und begab sich auf Erkundung. Icherios wusste, dass er zurückkehren würde, um in seiner Manteltasche zu schlafen. Die Katze, die es vermochte, das freche Biest zu fangen, musste erst noch geboren werden. Nun da Ruhe einkehrte, überkam Icherios ein übermächtiges Verlangen nach einigen Tropfen seiner liebsten Tinktur. Er versuchte es zu unterdrücken und bemühte sich, nicht daran zu denken. Zur Ablenkung holte er Rabans Brief hervor. In Gegenwart der penetranten Damen zu Molander hatte er nicht gewagt ihn zu lesen.
    Mein lieber Freund,
    heute muss ich mit einer Bitte an Sie herantreten, die zugleich eine große Chance für Sie bereithält. Mein guter Bekannter, Calan von Sohon, Fürst von Dornfelde, bat mich um Unterstützung bei der Aufklärung einer Mordserie in seinem beschaulichen Städtchen. Natürlich habe ich sofort an Sie gedacht. Ich weiß ob Ihrer herausragenden Fähigkeiten, und die Ergreifung und mögliche Untersuchung eines solchen Mörders würde Ihre Aussichten auf ein Stipendium deutlich erhöhen. Ich sollte Sie allerdings warnen, dass einige Dinge in Dornfelde nicht Ihren Erwartungen entsprechen werden, und hoffe, dass wir trotzdem auch nach Ihrer Rückkehr noch in einem freundschaftlichen Verhältnis verbleiben werden.
    In Hochachtung
    Raban von Helmstatt
    Die Lektüre hatte ihn nicht wirklich beruhigt, ganz im Gegenteil, sodass sein Verlangen letztlich die Überhand gewann. Krampfhaft hatte er sich bemüht, an andere Dinge zu denken, aber es war zwecklos. Nachdem er zwei Stunden auf seinem Stuhl hin und her gerutscht war, schlich er hinaus, obwohl Arohn ihm eingeschärft hatte, den Gasthof in der Nacht nicht zu verlassen. Der Hunger konnte Menschen zu unvorstellbaren Gräueltaten treiben. Die Straßen waren so unsicher wie nie zuvor.
    Leise schloss Icherios die Tür hinter sich, eine kleine Laterne in der Hand. Die Luft war feucht, dicke Nebelschwaden krochen durch die Gassen, weder Mond noch Sterne waren am Himmel zu sehen. Mit zitternden Händen tastete er nach dem Fläschchen in seiner Brusttasche. Ein erleichterter Seufzer kam über seine Lippen, als er die vertraute Form fühlte. Hinter dem Gasthof standen nur wenige Häuser. Ihre beleuchteten Fenster erschienen ihm wie funkelnde Augen, die ihn im dichten Nebel beobachteten. Ein schmaler Feldweg führte an verdorrten Wiesen vorbei in einen kleinen Forst. Grober Kies knirschte unter Icherios’ Schuhen, als er sich dem Wald näherte. Ab und an rief ein einsames Käuzchen. Die Feuchtigkeit durchdrang Icherios’ Kleidung und ließ sie klamm an seinem Körper kleben. Von seinen schulterlangen Haaren rannen eiskalte Wassertropfen in seinen Nacken. Unter den Bäumen lichtete sich der Nebel allmählich und kroch nur noch hier und da wie ein weicher, weißer Teppich über den Boden. Icherios folgte dem Weg, bis er sich außerhalb der Sichtweite Galenbachs befand. Dann setzte er sich auf einen moosbewachsenen Baumstumpf. Mit zittrigen Fingern holte er das giftgrüne Fläschchen hervor. Die Beschriftung war verschmiert, doch Icherios waren die Buchstaben so vertraut, dass er sie selbst in dem Dämmerlicht der Laterne zu entziffern vermochte: Laudanum, sein liebster Gefährte und schlimmster Fluch. Er trank die beruhigenden Tropfen nicht gerne direkt aus der Flasche. Diese Nacht war jedoch unerträglich ohne die Leichtigkeit des Opium-Rausches. Kaum trat die Wirkung ein, sank er zurück. Alle Sorgen schienen unwichtig und fern. Ein allumfassendes Glücksgefühl hüllte ihn ein. Er vergaß Einsamkeit, Hunger und Not und verlor jegliches Zeitgefühl.
    Als er ein raschelndes Geräusch vernahm, wusste er zuerst nicht, ob es kurz vor Morgendämmerung oder noch Anfang der Nacht war. Doch dann sagte ihm ein Gefühl, dass es zur unheiligen Stunde geschlagen haben musste: Mitternacht – die Stunde der Geister. In dem Dickicht hörte er erneut das Rascheln, das ihn aus seinen Träumen geholt hatte. Schmerzhaft erinnerte er sich an die Warnung des Kutschers. Icherios wusste, dass es kein Mensch war, der dort im Gebüsch auf ihn lauerte. Die Geräusche waren zu unbedacht. Langsam, jede hastige Bewegung vermeidend, stand er auf. Das Fläschchen hielt er fest umklammert, die fast erloschene Laterne in der anderen Hand. Die Geräusche verstummten. Gelbe Augen funkelten ihn an. Sie befanden sich auf seiner Augenhöhe.
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