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Alasea 05 - Das Buch der Entscheidung

Alasea 05 - Das Buch der Entscheidung

Titel: Alasea 05 - Das Buch der Entscheidung
Autoren: James Clemens
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seinen schmalen Schultern. Das Blut rauschte ihm in den Ohren. Er hatte den ganzen Vormittag nur dafür gebraucht, über die alte Geheimtreppe hier herunterzusteigen.
    »Nun ist es nicht mehr weit«, tröstete er sich selbst.
    Entschlossen ging er weiter. Er konnte nur hoffen, dass der Raum, nach dem er suchte, noch vorhanden war. Am Ende des Tunnels angelangt, schob er mit dem Stumpf seines rechten Armes ein Knäuel dürrer Wurzeln beiseite. Sie zerfielen unter seiner Berührung zu Staub.
    Er hob den Stab und leuchtete.
    Vor ihm lag eine große Höhle.
    Mit einem Seufzer der Erleichterung humpelte Joach über die Schwelle. Von der Decke hing ein brüchiges, gelbliches Geflecht von Wurzeln und faserigen Ausläufern, das an Sumpfmoos erinnerte. Rodrickos kleiner Baum hatte seine jungen Wurzeln noch nicht bis in diese Höhle vorgeschoben. Noch herrschte hier der Tod.
    Für Joach war diese düstere Erkenntnis ein gewisser Trost. Die Sommertage draußen vor den Mauern waren ihm zu hell und zu grün und strotzten zu sehr von neuem Wachstum. Er zog die Schatten vor.
    Erschöpft und mit schmerzenden Knien schleppte er sich weiter. Der Boden der Höhle war übersät mit Felsblöcken und halb verwesten Leichen. Kleine Tiere, mit Fell oder Schuppen bedeckt, flüchteten vor dem fahlen Licht. Joach beachtete die Aasfresser nicht und hielt den Stab höher. Die Wände waren von Schrammen gezeichnet. Die Spuren des Bösefeuers, das Schorkan und Greschym während der Schlacht eingesetzt hatten, muteten an wie Schriftzeichen aus uralter Zeit.
    Wenn er diese Zeichen nur zu deuten wüsste …
    Joach seufzte. Es gab so vieles, was ihm verschlossen blieb. Zwei Monde lang hatte er sich in einem Winkel der Bibliothek verkrochen und über Büchern, Pergamentrollen und Handschriften gebrütet. Wenn er seine Jugend jemals wiedererlangen wollte, musste er die Magik verstehen, mit der sie ihm gestohlen worden war. Aber er war in den Schwarzen Künsten nicht mehr als ein Lehrling, von wahrer Erkenntnis noch weit entfernt. Nur einen Hinweis hatte er entdeckt: Ragnar’k.
    Bevor der Drache seine Verbindung mit Kast einging, hatte er eine Ewigkeit lang im Herzen der Insel im Stein geschlummert, hatte sich voll gesogen mit der elementaren Magik seiner Träume und hatte Energien an die Felsen und die Kristalle um sich herum abgegeben. Wenn Joach überhaupt hoffen konnte, seine Jugend wiederzuerlangen, dann nur durch die Geheimnisse der Traum Magik, denn in der Traumwüste hatte er seine Jugend verloren und nicht nur sie.
    Er schloss die Augen. Schon spürte er wieder, wie ihm ihr Blut über die Hände floss, wie ihr Atem sein Ohr berührte. »Kesla«, flüsterte er in die Höhle der Toten hinein. Auch sie war, genau wie Ragnar’k, ein Traumgebilde gewesen.
    Wenn all sein Leid der Landschaft des Traumes entstammte, dann war dort vielleicht auch die Heilung zu finden. Diese vage Hoffnung hatte Joach schließlich hierher in den Bauch der Insel getrieben.
    Er hatte einen Plan.
    Auf seinen Stab gestützt, humpelte er über die Gebeine und um die Felsblöcke herum. Ragnar’k war längst nicht mehr hier, aber der Drache hatte so lange in dieser Höhle geschlummert, dass jeder Stein, jeder Kristallsplitter gesättigt war mit seiner Magik. Diese Elementarkraft gedachte Joach nun anzuzapfen.
    Joach war wie Greschym ein Traumweber. Doch anders als der alte Dunkelmagiker war er überdies ein Traumbildner. Er besaß die Fähigkeit, seinen Träumen Substanz zu verleihen. Um es mit Greschym aufzunehmen und sich seine Jugend zurückzuholen, musste er diese Fähigkeit vervollkommnen. Dazu allerdings brauchte er Energie. Er brauchte die Kraft des Traumes.
    Joach ging in die Mitte der halb verfallenen Höhle, drehte sich langsam im Kreis und sah sich gründlich um. Energie gab es hier in Hülle und Fülle. Befriedigt klemmte er sich den Stab unter den rechten Arm. Dann zückte er seinen Dolch, nahm den Griff zwischen die Zähne und ritzte sich die linke Handfläche. Als das Blut hervorquoll, spuckte er den Dolch aus, ballte die verletzte Linke zur Faust und ließ ein paar Blutstropfen auf den Steinboden fallen.
    Nun war er bereit. Mit halb geschlossenen Lidern ließ er sich in die Welt des Traumes gleiten. Stoßweise drang da und dort ein weicher Lichtschein das Echo des Drachentraums aus dem Gestein der Wände und erhellte die dunkle Höhle.
    Joachs schmale Lippen verzogen sich zu einem Lächeln.
    Er setzte seine eigene Magik frei, zog die fremden Energien an sich
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