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Alantua

Alantua

Titel: Alantua
Autoren: J. T. Bernett
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„Mama?“
    „Tot!“
Die Wut in den Augen General Tyrons war unermesslich. Anyún
hatte sie nie zuvor so gesehen.
    „Anyún
hat nichts damit zu tun!“ verteidigte Malja sie.
    „Doch,
das hat sie sehr wohl.“ General Tyron atmete tief ein und
richtete sich zu voller Größe auf. Sie war genauso groß
wie Malja, einen Kopf größer als Anyún. „An
jenem Morgen, als du und dieser Bastard aus Dejia geflohen seid,
erwachte die Königin... Sie fragte nach dir. Sie war schwach, so
schwach.“ General Tyron schluckte. „Was glaubst du, wie
ihre Reaktion war, als sie erfuhr, dass du verschwunden warst?
Abgehauen mit diesem ... diesem...“
    „König
von Kantú“, ergänzte Malja. „Genau... Arthano
ist tot. Und wären Anyún und Arthes nicht nach Kantú
gekommen, befänden wir uns bereits im Krieg mit Kantú. Es
ist ihnen zu verdanken, dass Arthano besiegt werden konnte. Und
Arthes wird somit der nächste König von Kantú ... so
dieses Land überhaupt noch eine Chance hat, zu bestehen. Du
weißt ja nicht, was da unten geschehen ist, Mutter. Phiol ist
tot! Fast alle meine Leute sind tot! Soll ich nun DIR die Schuld
geben? Oder unserer toten Königin? IHR habt uns in den Süden
geschickt und ihr wusstet sehr wohl, dass wir womöglich gar
nicht zurückkehren würden!“
    Stille.
Anyún wagte kaum zu atmen. Mutter und Tochter sahen sich an
wie zwei Wölfe, die gleich aufeinander losgingen. Und sie
selbst? Sie konnte es nicht verstehen. Warum war Martrella gestorben?
Hatte Anyúns Zauber ihr nicht die nötige Kraft gegeben,
weiter zu leben? Oder war es doch ihr Verschwinden, das den Tod ihrer
Mutter verursacht hatte?
    Die
Tür wurde ruckartig geöffnet, die bittere Stille war
gebrochen.
    „Warum
wurde ich nicht informiert, dass meine Tochter wieder hier ist?“
    „Papa!“
Anyún zögerte. Gab auch er ihr die Schuld am Tode ihrer
Mutter?
    „Ich
bin so froh, dass du da bist!“ Er schloss sie in eine warme,
fürsorgliche Umarmung. Anyún hätte ihn am liebsten
nie wieder losgelassen.
    Malja
beschloss, das Thema zu wechseln: „Wir haben die Lagerfeuer von
Bewaffneten vor den Toren der Stadt gesehen.“
    „Es
sind Abgesandte der Stämme“, erklärte General Tyron.
„Nach dem Tod der Königin und dem Verschwinden der
Prinzessin haben wir Falken in alle Ecken des Reiches geschickt. Wir
haben uns auf einen Krieg vorbereitet. Die Amazonen, die Bären
und die Wölfe ... selbst die Füchse sind gekommen.“
    Semeros
Tarzos ließ seine Tochter los und sah General Tyron milde an.
„Lassen wir uns doch etwas Wein kommen. Und dann erzählen
wir uns gegenseitig, was geschehen ist.“

    Später
in der Nacht, als Anyún endlich wieder in ihrem eigenen Bett
schlief, begannen die Albträume: Es waren nicht die klaren
Ereignisse, die sie in ihren Visionen gesehen hatte, sondern
verworrene Bilder von Blut und Feuer suchten sie heim, Bildnisse
eines wütenden Drachen mit riesigen Schwingen, von einer
blutenden Phiol und einer übel zugerichteten Kwarren.
    Noch
vor dem Morgengrauen erwachte sie, unfähig auch nur noch für
einen kurzen Moment die Augen zu schließen. So wanderte sie
umher, zunächst in ihrem eigenen Zimmer, dann in den Gemächern
ihrer Schwestern. In Phiols Zimmer war sie nicht überrascht,
dort jemanden vorzufinden.
    Lir
war noch immer bei Marlo und dessen Familie untergebracht. Malja war
es, die hier im Dunkeln auf dem Bett lag. Als sie Anyún
bemerkte, setzte sie sich auf.
    „Verzeihung,
ich wollte dich nicht wecken“, sagte Anyún sanft.
    „Ich
habe nicht geschlafen...“
    Anyún
setzte sich zu ihr. „Ich vermisse sie auch. Obwohl ich sie kaum
kennenlernen durfte.“
    Sie
hörte, wie Malja laut nach Luft schnappte. Hatte sie geweint?
Doch statt sich ihr zu öffnen, stand die Ältere auf. „Ich
muss zurück in meine Unterkunft. Ich habe viel zu regeln. Schlaf
gut, kleine Anyún.“
    „Danke.
Mögen die Götter dir den Schlaf schenken, den du brauchst.“
    Malja
schloss sie in eine kurze aber heftige Umarmung, bevor sie mit großen
Schritten den Raum verließ. Anyún blieb schlaflos
zurück.

    Die
nächsten Tage bestanden aus Warten und Trauern. Anyún
wagte es nicht, das Grab ihrer Mutter aufzusuchen. Sie konnte es
nicht begreifen. Sie wollte es nicht begreifen. Sie fühlte sich
leer, so unendlich leer. Wenn sie das Grab Martrellas aufsuchte,
würde sie zusammenbrechen. Sie würde weinen und nie wieder
damit aufhören. So verbrachte sie diese Zeit meist in dem
Arbeitszimmer ihrer Mutter. Hier fühlte sie
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